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Blick in die Vergangenheit

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Von: Günther Dickel

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Dr. Sabine Sander gibt Einblicke in das Leben jüdischer Familien in Holzheim. FOTO: GDP © Günther Dickel

Pohlheim (gdp). Bevor auch in Holzheim im Herbst 19 Stolpersteine zum Gedenken an die ehemals hier lebenden Menschen jüdischer Herkunft verlegt werden, waren die Bürger zu einer Info-Veranstaltung in die »Kulturelle-Mitte« eingeladen. Die Veranstalter, evangelische Kirchengemeinde und die Initiative-Stolpersteine-Holzheim, hatten dazu die gebürtige Holzheimer Historikerin Dr.

Sabine Sander eingeladen, die heute in Bad Soden lebt.

Nach einleitenden Worten durch Simone van Slobbe und Albert Mehl übergaben sie das Wort an Sander. Sie hat tiefgehende Recherchen über das Leben jüdischer Mitbürger in Holzheim getätigt und interessante Erkenntnisse zutage gebracht.

Dies alles hat sie nun auch in einem über 100-seitigen Buch zusammengetragen. Aufgrund von Verzögerungen im Druck wird dies voraussichtlich erst in fünf Wochen zur Verfügung sein.

Sander hat elementare Dokumente, Bilder, Daten und Fakten auf der Großleinwand präsentiert und erläutert. Bei ihrer Recherche vor Ort hat sie über die 19 Holzheimer Bürger mit jüdischen Wurzeln, die von hier ihre »Reise in den Tod« antreten mussten, nur wenig in Erfahrung bringen können. Doch durch Einblicke in Kommunal-, Kreis-, Landes- und Privatarchive ist es ihr gelungen, ein Mosaikbild zu erstellen.

Projekt vor Abschluss

Bei der in diesem Jahr startenden Stolperstein-Aktion geht es jedoch nicht nur um die ermordeten jüdischen Mitbürger, sondern auch um die in der NS-Zeit Ausgewanderten.

In ihrer Präsentation wurden auch noch mal die Systematik, Strategie und Umsetzung des Nazi-Regimes sichtbar, wie grausam und hinterhältig vor 90 Jahren die Judenverfolgung in Deutschland begann und umgesetzt wurde.

Obwohl der jüdische Anteil der Bürger unter ein Prozent lag, hat das Regime den Volkszorn geschürt und Maßnahmen eingeleitet, die Schritt für Schritt zur grausamen Massenvernichtung führten.

Bereits kurz nach der »Machtergreifung« 1933 wurden erste Anordnungen erlassen, die das Leben der Juden einschränkten. Es folgten 1935 die »Nürnberger Gesetze«, in denen unter anderem das Zusammentreffen von Deutschen und Juden verboten wurde. Dass bei der Reichspogromnacht im November 1938 in Holzheim und anderen Orten meist keine Ortsbürger gesichtet wurden, war der Nachbarschaftsstrategie - sie kamen aus und gingen in Nachbarorte - geschuldet, erläuterte die Referentin. Im Rahmen ihrer Recherche ist Sander auch auf Pass-Kopien gestoßen, mit denen sie dann intensivere Biografien erforschen konnte. Viele dieser Personen-Recherchen und die daraus abgeleiteten Verbindungen und Zeitgeschichten geben nun im Buch tiefere Einblicke in die oft mit Nebel verdeckte Geschichte der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts.

Im Buch werden auch Bilder von der Holzheimer Synagoge und Wohnhäuser jüdischer Mitbürger zu sehen sein.

Wenn in diesem Herbst auch im Stadtteil Holzheim die letzten Stolpersteine gesetzt sind, wird das 2009 im Stadtteil Watzenborn-Steinberg gestartete Gedenk- und Erinnerungsprojekt zu 100 Prozent im Pohlheimer Boden verankert sein.

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