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3600 Kilometer für ein Maskottchen

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Von: Stefan Schaal

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Der 18 Jahre alte Pohlheimer Alexander Klee hat erst seit drei Monaten seinen Führerschein, seine weiteste Fahrt am Steuer war bisher ein Ausflug zu den Großeltern in Marburg. Dann erzählt sein Handballtrainer, dass er nach Spanien will, um einen Hund einer seltenen Rasse, der als Mannschaftsmaskottchen dienen soll, von einem Züchter abzuholen. Spontan, eher aus Spaß fragt Klee, ob er mitfahren kann.

Wenige Stunden später sitzen sie im Sprinter - und erleben eine unvergessliche Kurzreise.

Es ist ein Uhr in der Nacht, als zwei Pohlheimer durch Paris fahren. Staunend, etwas ungläubig blicken sie um sich. Sie orientieren sich an der Seine entlang bis zum Eiffelturm. An einer Baustelle direkt am Eiffelturm stellen Alexander Klee und Michael Hirz dann den Sprinter ab und spazieren durch die französische Hauptstadt. Zum Arc de Triomphe nehmen sie ein Taxi.

Einen guten Monat liegt diese laue Nacht im April inzwischen zurück. Paris war für den 18 Jahre alten Klee und seinen 51 Jahre alten Handballtrainer Hirz eine Zwischenstation auf einer ungewöhnlichen - und für sie unvergesslichen - Reise.

An einem Sonntagnachmittag kurz vor Ostern erzählt Hirz nach dem Training der A-Jugend der HSG Pohlheim seiner Mannschaft, dass er nach Nordspanien fahren wolle, um einen Hund von einem Züchter abzuholen. »Er wird das Maskottchen unseres Teams«, sagt Hirz. Es sei ein Hund der Rasse Mastín Español, »ruhig ausgeglichen, lieb«. Vor drei Jahren bereits hat sich Hirz bei dem Züchter ein Tier derselben Rasse geholt. Spontan und eher aus Spaß fragt Klee, Torwart der Mannschaft: »Kann man da noch mitfahren?« Noch am selben Tag, nur wenige Stunden und ein paar Anrufe später sitzen die beiden gemeinsam im Sprinter in Richtung Spanien.

»Ich habe vorher noch meine Mutter angerufen«, erzählt Klee. »Für sie war es okay.« Auch wenn Hirz erst seit wenigen Wochen Trainer der A-Jugend ist »und wir uns vorher nicht gekannt haben«, habe man sich gegenseitig vertraut, sagt Klee. Nach zwei Stunden am Steuer sei ihm derweil auf der Autobahn nahe der deutsch-französischen Grenze klar geworden, »dass die zurückgelegte Strecke schon zu diesem Zeitpunkt die längste Tour ist, die ich bisher gefahren bin.« Klee fügt hinzu: »Vorher war das ein Ausflug zu den Großeltern in Marburg.«

Unvergesslich wird die Reise über 3600 Kilometer hin und zurück für Klee, der im kommenden Jahr sein Abitur ablegen will, auch vor dem Hintergrund, dass die vergangenen Jahre der Pandemie von Einschränkungen und Kontaktverboten, von Schulschließungen und ausgesetztem Vereinssport geprägt waren. Nun sitzt der 18 Jahre alte Holzheimer am Steuer eines Sprinters, braust auf Autobahnen in Frankreich und Spanien, rechts liegt tiefblau der Atlantik, links sieht er hohe Berge mit Schnee auf den Gipfeln. Eine herrliche Aussicht. Weit weg von daheim. Das Gefühl von Freiheit. »Ich habe in drei Tagen so viel erlebt wie in drei Jahren Corona-Zeit«, sagt Klee.

Immer wieder wechseln sie sich am Steuer ab. Hinten legen sie bisweilen Schlafpausen ein. Bei Biarritz rasten sie für ein paar Stunden, dann geht es weiter, bis sie am Nachmittag bei brütender Hitze ihr Ziel erreichen: den malerischen, an einem Berghang gelegenen Ort Mieres.

Sie treffen den Hundezüchter, streicheln den zwei Monate alten Rüden, den sie abholen wollen. »Der Züchter hat uns dann gefragt, was wir noch vorhaben«, erzählt Hirz. »Wir haben geantwortet: »Nichts.« Der Züchter, ein älterer, 1,60 Meter großer, »verlottert wirkender« Mann namens Joan, habe sich dann ein Hemd angezogen und sei mit ihnen essen gegangen.

Als sie zu dritt die Tapas-Bar betreten, werden sie kritisch beäugt, »da war plötzlich Totenstille«, erzählt Hirz. »Da kommt der Züchter mit uns beiden 1,90 und 1,95 Meter großen Riesen in die Kneipe.« Kurz darauf sei aber wieder Stimmenwirrwarr eingekehrt.

Klee erzählt von einem Festessen, von Lammrippchen und kleingeklopftem Lammfilet, mit Schinken und Käse wie ein Omelett zubereitet und fritiert. Auf dem Rückweg vom Essen sei der Hundezüchter dann vor einem Laden stehen geblieben. »Er war eigentlich geschlossen, Joan hat aber das Metallgitter davor geöffnet. Drinnen ging das Licht an. Und plötzlich kamen fünf, sechs Mitarbeiter angetanzt.« Joan habe die beiden Pohlheimer gefragt, was sie probieren oder mitnehmen wollen. »Es war sein Laden. Honig, Gemüse«, erzählt Hirz. »Mehrere Dutzend Serranoschinken am Stück hingen an der Decke.«

Kurz darauf brechen Hirz und Klee in Richtung Heimat auf. Sie übernachten auf einem Zeltplatz, umgeben von steilen Klippen und dem Atlantik. »Bilder, die man nicht vergisst«, sagt Klee. In der Nacht darauf spazieren sie durch Paris. »Es war unter der Woche, wir waren allein vor dem Eiffelturm«, erzählt der in Grüningen lebende Familienvater Hirz. »Der Eiffelturm ist viel größer als ich es mir vorgestellt habe«, berichtet Klee. Lachend sagt sein Trainer: »Es war eine Bildungsreise.«

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