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»Pakt« für Ettingshäuser Kinder

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Von: Rüdiger Soßdorf

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Gießen/Reiskirchen (so). Wie der Landkreis künftig mit Immobiliengeschäften umgeht - ganz gleich ob Kauf oder Verkauf von Land oder Liegenschaften - darüber soll im Ältestenrat beraten werden. Etwa zur Frage, was wie detailliert in den öffentlichen Gremiensitzungen dargelegt wird.

Denn da gibt es das bekannte Spannungsfeld zwischen schutzwürdigen Interessen eines Vertragspartners und dessen Wunsch nach Vertraulichkeit auf der einen Seite. Und eben auf der anderen Seite die Tatsache, dass hier immer mit Steuergeld umgegangen wird. Geld der Bürger, das Politik und Verwaltung quasi treuhänderisch verwalten und über das öffentlich Rechenschaft abzulegen ist.

Kritik am Kaufpreis von der Opposition

Auslöser des Ganzen ist der Ankauf einer rund 2000 Quadratmeter großen Fläche am Holzweg in Ettingshausen von einem Privateigentümer. Auf dem Grundstück, das dem Kreis angeboten worden ist, soll noch in diesem Jahr ein Holzmodulbau errichtet werden, in den die Schülerbetreuung (»Pakt für den Nachmittag«) der örtlichen Grundschule einzieht.

Das Grundstücksgeschäft ist am Montag im Kreistag mehrheitlich mit den Stimmen der Koalition beschlossen worden. Gegenstimmen gab es von der FDP, der AfD und auch eine aus der SPD, Der Großteil der SPD-Fraktion, die Linke und die Vraktion enthielten sich.

Kritik äußerte vor allem FDP-Fraktionsvorsitzender Harald Scherer. Die FDP sei keineswegs gegen die Nachmittagsbetreuung, stellte Scherer klar. Aber die Unterlagen zur Entscheidung seien unvollständig und unklar.

So lieferte der Erste Kreisbeigeordnete Christopher Lipp (CDU) auf FDP-Nachfrage die Informationen nach, dass das fragliche Grundstück frei von Lasten ist, dass ein dort vorhandener stillgelegter Trafoturm nicht mit erworben wird - und dass das Grundstück an einem Wirtschaftsweg liegt. Wird der ausgebaut, so kommen auf den Kreis noch Erschließungskosten zu.

Was Scherer zudem wurmt, ist die Begründung für den Kaufpreis von 60 Euro je Quadratmeter. Der Bodenrichtwert dort liegt nämlich nur bei 30 Euro. Wenn die 60 Euro seitens der Kreisverwaltung damit hinterlegt würden, dass der Verkäufer selbst schon mehr als 30 Euro für den Quadratmeter gezahlt hat, dann sei das nicht Sache des Kreises.

»Wir zahlen hier für die Fehlkalkulation des vorherigen Eigentümers«, monierte Scherer. Es sei legitim, wenn dieser die Grunderwerbssteuer ins Feld führe und schließlich auch noch etwas verdienen wolle - aber auch der Landkreis Gießen habe legitime Interessen: Nämlich den sparsamen Umgang mit Steuergeld.

Auch die SPD ist laut Co-Fraktionsvorsitzendem Dirk Haas mit dem Grundstück »nicht glücklich«. Die Sozialdemokraten hätten es lieber gesehen, wenn eine Betreuung direkt bei der Schule und nicht 200 Meter entfernt im Holzweg geschaffen würde. Ein dafür passendes Haus direkt neben der Schule gehört dem Kreis nämlich.

Dort betreibt die Gemeinde Reiskirchen jedoch einen Kindergarten. Und müsste einen solchen neu bauen, wenn der Kreis sein Haus neben der Schule wegen »Eigenbedarf« (Schülerbetreuung) zurückfordert.

Es ist klar, dass ein Kita-Neubau wenigstens drei bis vier Jahre dauert. Eine Lösung solle es aber weder jetzt, noch im Spätsommer dieses Jahres geben. Denn die Schülerbetreuung, bisher in Trägerschaft eines Vereins, kann und wird so nicht weiter arbeiten.

»Wir brauchen das Grundstück, damit es vorangeht«, sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Tobias Breidenbach. »Was ist, wenn wir nicht zustimmen? Dann müssten wir den Eltern sagen: »Es gibt für Euch keinen Pakt für den Nachmittag.«

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