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Nur wenige Migranten bei Dorffesten

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Von: Stefan Schaal

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Besucher beim Dorfgemeinschaftstag 2013 Unter den Linden im Niederhofen in Langgöns. »Integration findet vor allem im Kleinen statt«, sagt der scheidende Migrationsbeauftragte der Gemeinde, Michael Sauerwein. ARCHIVFOTO: HJP/PM © pv

»Schweren Herzens« verabschiedet sich in Langgöns der Migrationsbeauftragte der Gemeinde Michael Sauerwein von seiner Aufgabe - ausgerechnet in einer Zeit, als mit der Ankunft von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine neue Herausforderungen entstehen. Grundsätzlich biete der ländliche Raum bei der Aufnahme und Integration von Migranten Vorteile, sagt Sauerwein.

Seit drei Jahren stand es leer, nun ist im Paul-Schneider-Freizeitheim bei Dornholzhausen in den vergangenen Tagen Leben eingekehrt. 28 Frauen, Männer und Kinder, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, sind dort untergekommen. »Wir sind eine große Familie geworden«, sagt bereits Hans Glaser, Hausmeister in dem Freizeitheim. Nur ein Problem gebe es: die Sprachbarriere.

Grundsätzlich biete der ländliche Raum bei der Aufnahme von Flüchtlingen und auch bei der Integration von Migranten bedeutsame Vorteile, sagt Michael Sauerwein, der scheidende Migrationsbeauftragte der Gemeinde Langgöns. »Auf dem Dorf ist es im Vergleich zur Stadt ruhiger, nicht so anonym und isoliert«, sagt er. »Da kommt man eher mal mit dem Nachbarn in Kontakt und lernt sich kennen.«

Unabhängig von der Aufnahme der Flüchtlinge aus der Ukraine habe er bei der Integration von Migranten indes die Erfahrung gemacht: »Dreh- und Angelpunkt ist das Erlernen der deutschen Sprache. Da können Sie machen, was Sie wollen.« Auch der Arbeitskreis Flüchtlingshilfe in Langgöns konzentriere sich daher vor allem auf die Sprachvermittelung.

Sauerwein hat am gestrigen Donnerstag seine Aufgabe als Migrationsbeauftragter der Gemeinde beendet. »Schweren Herzens«, sagt er. Der Abschied fällt nach knapp vier Jahren ausgerechnet in eine Zeit, als mit der Ankunft von Flüchtlingen aus der Ukraine neue Herausforderungen entstehen. Die Entscheidung stehe allerdings bereits seit Monaten fest, erklärt der 47 Jahre alte Sauerwein. Ihm fehle schlicht die Zeit. Die Aufgabe hat er in Form eines Mini-Jobs ausgeübt, hauptberuflich ist er im Regierungspräsidium tätig.

Die Rolle eines Migrationsbeauftragten ist in den Kommunen des Landkreises eher eine Seltenheit. Einen Nachfolger gibt es in Langgöns noch nicht, die Stelle ist ausgeschrieben. »Ich war Ansprechpartner für alles, was einen Bezug zur Integration von Migranten zu tun hat«, berichtet Sauerwein. »Wenn Flüchtlinge zum Beispiel mit einem Bescheid nicht zurechtgekommen sind. Oder wenn es darum ging, einen Pflegeantrag zu schreiben.« Die Aufgabe beschreibt er als Hilfe zur Selbsthilfe. »Ich bin kein Sozialarbeiter.«

Er habe Behörden nicht die Arbeit abgenommen, sondern eher Kontakte vermittelt, habe sich als Ansprechpartner mit dem Landkreis in Verbindung gesetzt, als Türöffner fungiert. »Manchmal hilft es auch, nur zuzuhören und ein, zwei Tipps zu geben.«

Integration auf dem Dorf gelinge gut, betont Sauerwein, er räumt allerdings auch Schwierigkeiten im ländlichen Raum ein. »Die Verkehrsanbindung ist ein Problem.« Flüchtlinge seien auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Auch Schließungen und das allmähliche Aussterben von Infrastruktur, von Geschäften, Metzgereien, Bäckereien und von Gaststätten erschweren Integration. »Langgöns ist da zum Glück noch gut ausgestattet«, sagt Sauerwein. Vieles, was Flüchtlinge benötigen, befinde sich im Kernort.

Die Integrationskommission in Langgöns hat kürzlich über die Frage diskutiert, warum in der Kommune ein Großteil der Migranten den Dorffesten fernbleibt. »Vielleicht müsste man auf die Menschen noch aktiver zugehen«, sagt Sauerwein. »Es kann sein, dass viele Migranten gar nicht mitbekommen, dass es solche Feste, wie zum Beispiel den Dorfgemeinschaftstag gibt, möglicherweise ist es ein reines Informationsproblem.«

Grundsätzlich aber sei dies kein allzu schwerwiegendes Thema, fügt er hinzu. »Integration bedeutet ja nicht, dass man komplett alle kulturellen Dinge übernehmen muss.« Wenn Migranten zum Beispiel Schützenfeste oder Fasching nicht feiern, sei dies zu akzeptieren.

In den vier Jahren seiner Amtszeit habe er in Langgöns keine Ressentiments gegenüber Migranten erfahren, sagt Sauerwein. Integration gelinge wie in Langgöns dann, »wenn ehrenamtliche Helfer mit den geflüchteten Menschen persönlich zusammengewachsen sind.« Er berichtet von einer Ehrenamtlichen, die von Flüchtlingen zu Familienfeiern eingeladen und von den Kindern als »Oma« bezeichnet wird. Ob Migranten an Dorffesten teilnehmen, sei nicht ausschlaggebend, betont Sauerwein. »Integration findet vor allem im Kleinen, im Mikrobereich statt.«

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Michael Sauerwein © Stefan Schaal

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