»Nie wieder eine Heizrechnung«

Im vierten Abschnitt des Baugebiets »Jägersplatt« soll eine besondere Form der Geothermie zum Tragen kommen: Erdwärmekörbe. Projektentwickler Jochen Ahl verspricht, dass die Hauseigentümer nie wieder eine Heizrechnung bekommen werden.
Erdkollektoren zur klimaneutralen Erzeugung von Heizenergie: Dieses Konzept klang überzeugend, als die Gemeindevertretung im vergangenen Herbst den Städtebaulichen Vertrag für den vierten Abschnitt des Baugebiets »Jägersplatt« in Annerod befürwortete. Doch der Teufel liegt im Detail. Jetzt steht fest: Erdkollektoren wird es in dem Baugebiet nicht geben, klimaneutrale Heizenenergie aber sehr wohl. Die Projektentwicklungsgesellschaft IMAXX setzt jetzt auf Erdwärmekörbe. Wie diese Methode der oberflächennahen Geothermie funktioniert, erläuterte IMAXX-Geschäftsführer Jochen Ahl am Mittwochabend vor Mitgliedern von Bau- sowie Haupt- und Finanzausschuss.
Dass die Projektentwickler von ihrem ursprünglichen Plan mit Flächenkollektoren abgerückt sind, hat laut Ahl einen handfesten Grund: Die Preisvorstellungen einiger Grundstückseigentümer seien mit den angedachten 289 Euro pro Quadratmeter Bauland nicht zu realisieren. Zudem sei eine Förderung durch die KfW erstens langwierig und zweitens ungewiss. Erdwärmekörbe seien eine praktikable Alternative. Es handelt sich um 2,80 hohe Korbe aus PE-Rohr, die in vier Metern Tiefe in den Boden eingebaut werden, wo sie Energie auch aus tieferliegenden Erdschichten ziehen können. IMAXX stattet jedes Grundstück mit Erdwärmekörben und einer Übergabestation aus, an der laut Ahl jeder Installateur eine Kraftwärmepumpe anschließen kann. »Es gibt kein Contracting. Jeder Bürger ist autonom und kriegt bei der Wärme nie wieder eine Rechnung von einem Versorger«, warb Ahl für die Erdwärmekörbe.
IMAXX will BetaTherm, einem Hersteller aus dem Allgäu, zusammenarbeiten. Das Unternehmen habe bereits 20 000 dieser Körbe eingebaut. »Seit 2008 musste noch nie einer entfernt werden«, sagte Ahl. »Wir sind von dieser Technik wirklich überzeugt.«
Ein paar Nachteile hat sie aber auch. Um drei oder vier Körbe zum Heizen eines Einfamilienhauses unterzubringen, braucht man eine etwa 40 Quadratmeter große Fläche. Darüber kann man weder einen Swimmingpool errichten, noch einen Tiefwurzler pflanzen noch ein Gartenhäuschen mit Bodenplatte bauen. Doch laut Ahl überwiegen die Vorteile bei weitem. »Die Körbe halten hundert Jahre und haben sich nach zwölf Jahren amortisiert.«
Auf Nachfrage bestätigte der Geschäftsführer, dass lediglich die Einfamilienhäuser mittels Geothermie beheizt werden sollen. Die Mehrfamilienhäuser am Rand sollen Fernwärme von den Gießener Stadtwerken erhalten. Auch ein Zeitplan zur Realisierung des neuen Baugebiets steht: Im März oder April sollen die Grundstücke vergeben werden, im Frühsommer werde die Erschließung beginnen. »Und etwa im März 2023 können die Bodenplatten gesetzt werden«, avisierte der IMAXX-Chef.
Die Mitglieder beider Ausschüsse sprachen sich schließlich einstimmig für die Änderung des Städtebaulichen Vertrags aus. Zuvor hatte Ahl auf eine Möglichkeit hingewiesen, die sich durch den Verzicht auf Erdkollektoren ergibt. Die bereits eingesammelten Flächen könnten für einen zusätzlichen Bauabschnitt auf der »Jägersplatt« genutzt werden. Den Projektentwicklern schwebt eine Bebauung mit Reihenhäusern vor. »Die Nachfrage ist da«, versicherte der Geschäftsführer. Für die Jägersplatt IV habe es 650 Anfragen gegeben. »So etwas haben wir im Landkreis Gießen noch nicht gehabt.«
Das Regenrückhaltebecken könne in diesem Falle problemlos erweitert werden. Sorgen von Anliegern, dieses Becken nahe der Rödgener Straße könne sich störend auswirken, suchte Ahl zu zerstreuen. Die Fläche werde begrünt und nur bei besonderen Wetter- ereignissen Wasser führen. Mit einem angrenzenden Seniorenplatz wolle man das gesamte Areal sehr ansprechend gestalten.
Fernwälder bevorzugt
Auswärtige haben kaum eine Chance, im Anneröder Neubaugebiet ein Grundstück zu ergattern. Beide Ausschüsse einigten sich einstimmig auf Vergabekriterien. Wer bauen möchte, muss aus Fernwald kommen, »Ehemaliger« sein oder seit mindestens zwei Jahren in der Gemeinde arbeiten. Außerdem müssen sich die Käufer zur Eigennutzung des Grundstücks verpflichten. Bevorzugt berücksichtigt werden Familien mit Kindern, Menschen mit Behinderung und ehrenamtlich Tätige. Wer bereits eine Immobilie in der Gemeinde besitzt, ist von der Vergabe ausgeschlossen.