Junge Menschen wollen nach der Schule zur Bundeswehr

Eine bundesweite Umfrage hat ergeben, dass Schüler nach der Schule am liebsten zur Polizei oder der Bundeswehr gehen. Auch in Gießen ist das so.
Gießen ‒ Deutsche Schüler wollen nach ihrem Schulabschluss am liebsten zur Polizei oder zur Bundeswehr. Das ist das Ergebnis einer bundesweiten Umfrage unter den diesjährigen Abschlussjahrgängen. Ein Trend, der sich auch an den hiesigen Schulen und beim Arbeitsamt Gießen bemerkbar macht.
Nach dem Schulabschluss zur Bundeswehr. Diese Entscheidung scheint für viele Schüler, sowohl im Landkreis Gießen als auch in der gesamten Bundesrepublik, festzustehen. Mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar und dem beschlossenen Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Stärkung der Bundeswehr ist die Armee und deren Ertüchtigung in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Dass diese Gemengelage Auswirkungen auf die Bewerberzahlen bei der Bundeswehr haben wird, ist eine These, die zwar erst in den kommenden Monaten verifizierbar ist, aber die Vermutung liegt nahe.
Ohnehin gehört die Bundeswehr seit Jahren zu den beliebtesten zukünftigen Arbeitgeber bei deutschen Schülern. In diesem Jahr steht sie, trotz leichter Verluste, sogar ganz vorne. Das hat das Berliner Marktforschungsinstitut Trendence ermittelt. Jedes Jahr befragen die Macher Schüler der Abschlussklassen nach ihren Erwartungen und Vorstellungen zum Berufseinstieg, zu ihrem Mediennutzungsverhalten und zu ihrer Einschätzung der Attraktivität von Arbeitgebern. 2021 nahmen bundesweit 25.000 Schülern daran teil.
Schüler wollen in den öffentlichen Dienst zur Polizei oder zur Bundeswehr
Mehr als ein Drittel aller Schüler strebt nach den Ergebnissen der Umfrage eine Ausbildung im öffentlichen Sektor an: 36,7 Prozent der Schüler gaben das bei der Befragung an, bei den Mädchen waren es gar 40,8 Prozent, bei den Jungs 31,1 Prozent. Polizei und Bundeswehr locken viele Schulabgänger in den öffentlichen Dienst.
Genaue Zahlen für den Landkreis Gießen gibt es nicht. Doch die Tendenz ist für die hiesigen Schulen und das Gießener Arbeitsamt klar: »In den vergangenen Jahren ist das Interesse bei jungen Menschen an der Bundeswehr deutlich gestiegen«, erklärt Nadine Speier, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit in Gießen.
Die Gründe dafür seien vielfältig, sagt Speier: »Diese Entwicklung liegt daran, dass die Bundeswehr gute Marketingkampagnen aufsetzt, um für eine Beschäftigung bei der Bundeswehr zu werben.« Messen oder Aktionstage im Berufsinformationszentrum etwa, dazu Werbung in Radio und TV. Zudem arbeitet die Bundeswehr mit Karriereberater, die das Gespräch mit den jungen Menschen suchen. »Aber auch die soziale Verantwortung und das Gefühl, anderen Menschen helfen zu wollen, spielt eine große Rolle bei der Wahl dieses Berufsweges«, erklärt die Expertin vom Arbeitsamt.
Bundeswehr wirbt um Nachwuchs
Dass die Wehr in den vergangenen Jahren ein eher mieses Image in Sachen Ausstattung hatte, hat kaum abgeschreckt. Das deckt sich auch mit den Erfahrungen, die die Schulen im Landkreis gemacht haben. So sagen die Verantwortlichen der Dietrich-Bonhoeffer-Schule in Lich und auch die der Clemens-Brentano-Europaschule (CBES) in Lollar, dass eine Ausbildung bei Bundeswehr oder der Polizei bei den Schülern hoch im Kurs steht.
»Die Möglichkeiten einer Ausbildung bei der Bundeswehr sind integraler Bestandteil des Unterrichts«, sagt etwa Matthias Payer, Leiter des Aufgabenfeldes Gesellschaftswissenschaften und Verantwortlicher für das Hochschulpraktikum an der CBES. »Wir laden auch regelmäßig die Jugendoffiziere der Bundeswehr ein, um über die verschiedenen Thematiken zu diskutieren. Sie stellen sich dann den kritischen Fragen der Schüler.«
In Lollar steht eine Polizeiausbildung noch höher im Kurs
In Lollar hat Payer jedoch ausgemacht, dass die Polizei der noch »deutlich interessantere Arbeitgeber für die Schüler ist.« Gerade bei Schülern mit Migrationshintergrund sei die Anstellung bei der Polizei ein Ziel, das viele verfolgten. »Eine Anstellung bei der Polizei ist für viele dieser Schüler eine Auszeichnung, während sie dem Militär kritisch gegenüberstehen«, sagt Payer. Daneben spiele aber auch die Art des Abschlusses eine große Rolle: »Die Bundeswehr sucht derzeit viele Mannschafts- und Unteroffiziersdienstgrade - da ist das Interesse von Gymnasialschülern etwas geringer.« Trotzdem gilt auch hier die Bundeswehr als beliebt.«
Die Situation rund um den Krieg in der Ukraine und all die Milliarden, die nun in die Bundeswehr fließen werden, spielen laut Payer bei den jetzigen Schulabgängern allerdings nur eine untergeordnete Rolle. »Für die meisten Schüler steht bereits länger fest, welchen Weg sie einschlagen wollen.« Lehrer Payer vermutet einen längerfristigen Effekt der aktuellen Situation: »Ich denke, dass wird die Bundeswehr bei den Schülern wieder stärker in den Fokus rücken. Zumindest an der CBES hatten die Schüler die Karriere dort etwas aus den Augen verloren, nachdem die Wehrpflicht abgeschafft wurde.« (Constantin Hoppe)