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Moderator und Krisenmanager

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Von: Jonas Wissner

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Zeit zum Innehalten bleibt Busecks Bürgermeister Michael Ranft seit seinem Amtsantritt zu Jahresbeginn nur selten. © Jonas Wissner

Fehlende Kita-Kapazitäten, Wirbel um Windkraft, Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine und mehr: Seit seinem Amtsantritt zum Jahreswechsel musste sich Busecks Bürgermeister Michael Ranft schon vielen Herausforderungen stellen. Er hat Prioritäten gesetzt, sieht aber noch jede Menge Arbeit vor sich.

Vor gut sieben Monaten ist Michael Ranft in das Bürgermeisterbüro im Busecker Schloss eingezogen, sichtbare Spuren hat er hier bisher aber kaum hinterlassen: Der Schreibtisch ist überaus aufgeräumt und, abgesehen von Laufmappen und der Tageszeitung, fast leer. »So arbeite ich«, sagt Ranft - der Schreibtisch in seiner Wiesecker Anwaltskanzlei war ähnlich übersichtlich bestückt. »Wenn Sie sich umschauen: Die Wände sind noch kahl«, meint er. Eigentlich habe er das längst ändern wollen - doch dazu sei er einfach noch nicht gekommen. »Alles andere hat Vorrang.«

Die ersten Monate im Amt waren nicht gerade arm an Herausforderungen. Probleme, die die Welt beschäftigen, haben längst auch im Busecker Schloss angeklopft. »Man will für die Kommune wichtige Themen behandeln, Ruhe reinbringen - und dann ploppt irgendetwas auf.« Die Corona-Problematik hat Ranft quasi geerbt, vor allem mit Blick auf den Kita-Betrieb, der wegen Personalausfällen im Frühjahr teils schwer aufrecht zu erhalten war. »Das haben wir eigentlich ganz gut gelöst«, findet der 46-Jährige.

Wohl noch gravierender haben die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine seine bisherige Amtszeit geprägt. Zwar habe sich der Zuzug von Geflüchteten »normalisiert«, die Unterbringung sei für die Kommune leistbar. »Aber jetzt haben wir mit Verteuerung zu tun, machen uns Gedanken über Wärme und Gas.« Nun müsse man sich in der Verwaltung völlig neue Fragen stellen, zum Beispiel: »Wo können wir die Temperaturen in unseren Liegenschaften absenken? Brauchen wir Wärmeräume für den Fall, dass Menschen zu Hause nicht mehr heizen können?« Das seien »Themen, die wir nicht auf dem Schirm hatten.«

Für Aufsehen sorgt ein Thema, das laut Ranft schon kurz nach seinem Amtsantritt »aufgeploppt« ist: die mögliche Errichtung von bis zu sieben Windrädern im Fernewald, wo auch die Stadt Gießen Wald besitzt. Der Gießener Bürgermeister Alexander Wright war im Mai mit der Idee für einen interkommunalen Windpark vorgeprescht - und Ranft musste, so scheint es, Lehrgeld zahlen.

Auch auf seine Anregung hin habe es schon zu Jahresbeginn Gespräche gegeben, doch mit dem Alleingang an die Öffentlichkeit hadert er: »Das ist schlecht gelaufen, wir mussten dann die Scherben aufkehren.« Nun aber gelte es, an einem Strang zu ziehen, »der Mehrwert muss hier blieben«, die Gespräche liefen. Ranft hofft künftig auf schnellere Verfahren, »aber es wird keinen Schnellschuss geben«. Die Bürgerbeteiligung sei zentral.

Im Wahlkampf hatte er auch damit geworben, den »Investitionsstau« abbauen zu wollen. »Wir haben 25 bis 30 Millionen Euro an beschlossenen, gebundenen Mitteln, die wir vor uns herschieben«, sagt er. Ranft will »die Verwaltung so ausstatten, dass sie das abarbeiten kann«, an einigen Stellen umstrukturieren, etwa das Vorzimmer entlasten. Hier und da werde es wohl noch mal »organisatorisch ruckeln«.

Das Parlament hat ein paar neue Stellen bewilligt. Zurzeit schreibe die Gemeinde etliche Jobs aus, einige Stellen seien schon besetzt. Dass es mitunter zu einem »Abwerben unter den Kommunen« komme, sei »eigentlich nicht so schön«. Doch ganz vermeiden lasse es sich wohl nicht - die Nachfrage ist in vielen Rathäusern gegeben.

In den ersten Wochen nach Amtsantritt war viel Geduld nötig, um den Bürgermeister zu erreichen - das hat sich ein Stück weit geändert. Ranft war es wichtig, zu Beginn möglichst viele Mitarbeiter persönlich kennenzulernen, auch wenn das viel Zeit gekostet hat. »Ich habe die Gespräche bewusst sehr eng terminiert, bin selbst an die Belastungsgrenze gegangen.« Doch nun, da auch viele »Kennenlern-Termine« mit Kreis-Akteuren abgearbeitet seien, »wird es ein bisschen entspannter«.

Ranft, von CDU und FW ins Rennen geschickt, war als »Moderator« angetreten - und mittlerweile ist recht deutlich erkennbar, was er darunter versteht. Ranft will Ausgleich schaffen, setzt auf breite Information der Gremien, berichtet nun etwa auch regelmäßig im Sozialausschuss über die Kita-Situation, will sich häufiger mit den Ortsvorstehern treffen. »Aber ich kann auch mal auf den Tisch hauen«, sagt er.

»Es gibt schöne Themen«, betont der Bürgermeister. Er denkt dabei zum Beispiel an die Alten-Busecker Kirmes Ende Juli: »Den Platz haben wir aus der Not heraus asphaltiert - erstmals gab es dort eine Kirmes ohne Staub.« Auch sei er froh, dass die Gemeinde nun unter anderem im Forst wieder einen Auszubildenden beschäftige.

Ranft hat einiges angeschoben, teils neue Prioritäten gesetzt. Doch noch immer warten zum Beispiel viele Eltern auf Kita-Plätze für ihre Kinder. Für rund 130 Kinder wird laut Ranft noch ein Platz für dieses oder nächstes Jahr gesucht, wobei Bedarfe durch anstehende Baugebiete noch nicht eingerechnet seien. »Wir haben gegengesteuert, kriegen zwei Übergangs-Kitas«, sagt der Rathauschef. Er rechnet damit, dass diese in Alten-Buseck und Großen-Buseck »spätestens im Herbst oder Winter« bezugsfertig sind. Doch die Suche nach Personal, auch im Leitungsbereich, sei herausfordernd.

Etliche Bauwillige hoffen seit Langem auf einen Bauplatz. »Bei den Baugebieten wäre ich gern schon weiter gekommen«, bekundet Ranft und verweist auf Beschlüsse aus jüngster Zeit. Doch es hänge auch daran, dass zurzeit etliche Planer und Firmen unter Verweis auf volle Auftragsbücher abwinkten. Es würden auch wieder Zeiten kommen, in denen Unternehmen Aufträge suchten, sagt er. »Wir werden uns merken, wer gut mit uns zusammengearbeitet und uns in harten Zeiten geholfen hat.«

Ein Unterschied zwischen dem Job als Jurist und jenem als Bürgermeister fällt Ranft besonders auf: »Als Anwalt hat man Mandanten, die Gegenseite und das Gericht. Man kann sich auch mal querstellen.« Als Rathauschef gebe es dagegen »viele Interessen, die man auffangen muss« - doch vielfach ließen sich »kurzfristige Lösungen« finden.

Nun verabschiedet sich Ranft in den Sommerurlaub. Wenn es irgendwo brenne, stehe er bereit, freue sich aber auf entspannte Tage zum Abschalten mit seiner Frau und dem kleinen Sohn. Im Berufsalltag Zeit für die Familie zu finden, sei nicht immer einfach, sagt Ranft, vor allem während Sitzungswochen. Doch allmählich habe sich das »eingespielt«.

Während Ex-Bürgermeister Dirk Haas nun als viertes Motiv in der »Ahnengalerie« der Busecker Rathauschefs auf dem Flur zu finden ist, hat sich sein Nachfolger im Büro nebenan inzwischen im Amt eingelebt. Eine Halbjahresnote will Ranft sich nicht geben. Unterm Strich zeigt er sich zufrieden mit dem bisher Erreichten, doch er weiß: Die nächsten Herausforderungen klopfen schon an.

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