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Mitgefangener erzählt von Gesprächen

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Von: Barbara Czernek

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Gießen/Hungen (bac). Der jüngste Verhandlungstag im Prozess um einen »Mord ohne Leiche« auf einer Hofreite bei Hungen gab es Einblicke in die Gedankenwelt eines Angeklagten. Zu Beginn des Prozesstages im Gerichtssaal am Stolzenmorgen, verlas die Vorsitzende Richterin Regine Enders-Kunze zwei Briefe des angeklagten IT-Spezialisten Robert S., die er kürzlich in der Untersuchungshaft geschrieben hat.

Das eine Schriftstück war direkt an die Vorsitzende Richterin adressiert, das andere an seine Mutter, der Brief wurde beschlagnahmt.

Den beiden Angeklagten, Olaf C., ein 44-jähriger Mathematik- und Physiklehrer, und Robert S., ein vier Jahre jüngerer IT-Spezialist, wird vorgeworfen, ihr späteres Opfer Daniel M. im November 2016 zu einer Hofreite nach Hungen gelockt und ihn dort erschossen zu haben. Anschließend habe Robert S. die Leiche zerstückelt und sie an einem bisher unbekannten Ort beseitigt. Wer die tödlichen Schüsse abgegeben hat, das ist bislang ungeklärt, denn beide Angeklagten beschuldigen sich gegenseitig.

In beiden jetzt vorgelegten Schriftstücken verhöhnt Robert S. auf extrem despektierliche Weise das Opfer und seinen Mitangeklagten. Dies veranlasste den Staatsanwalt zu dem Hinweis, dass diese Äußerungen im Rahmen der Strafzumessung zur Feststellung der besonderen Schwere der Schuld führen könne.

In dem Brief an die Richterin zeigte er an, dass ein Mitgefangener ihm berichtete habe, Olaf C. habe die Tat diesem gegenüber gestanden. Dieser Gefangene würde sein Wissen gegen eine Geldzahlung öffentlich bezeugen.

Auskunftsfreudiger nach Unterbrechung

Daraufhin hatte die Richterin diesen Mithäftling als Zeugen geladen. Er gab sich jedoch bei der Befragung völlig ahnungslos und antwortete, dass er überhaupt nicht wisse, was das alles solle. Auch als ihm die Richterin die entsprechenden Passagen aus dem Schriftstück vorlas, gab sich der Zeuge äußert wortkarg und unwissend.

Diesen Umstand wollten ihm weder das Gericht, noch die Staatsanwaltschaft und die Verteidiger so recht glauben. Auch auf den Hinweis auf mögliche Konsequenzen mauerte er offensichtlich weiter. So wollte er noch nicht einmal die Namen derjenigen nennen, die mit ihm zusammen in der Wäschekammer arbeiten. »Ich nenne hier keine Namen. Wenn sie das wissen wollen, dann können sie ja in der Haftanstalt anrufen, die wissen das.«

Bei diesen Verlautbarungen des Zeugen platze sogar dem Briefschreiber der Kragen und er sagte zu ihm: »Eh, Alter, das ist falsche Knastsolidarität. Es geht nur darum, dass Du das bestätigst, was Du mir erzählt hast.«

Nach einer kurzen Unterbrechung gab sich der Zeuge auskunftsfreudiger und gab einiges an Wissen über den Fall zu. Er und der jüngere Angeklagte würden regelmäßig nach einer Verhandlung über den Verlauf sprechen; dass er allerdings gegen Geld eine entsprechende belastende Aussage gegen den älteren Angeklagten machen würde, das bestritt er. Allerdings wartete er anschließend mit einer Geschichte auf, die nicht so recht zu den Ermittlungsergebnissen passt: Der Angeklagte hätte ihm gesagt, es gäbe keinen Toten, und er habe sich auch lustig darüber gemacht, dass man extra einen Hubschrauber geordert habe, um in einem See nach der Leiche zu suchen. Auch auf Nachfrage des Staatsanwalts blieb er bei dieser Aussage.

Der Zeuge hat im Zuge seiner Haft beide Angeklagten kennengelernt, die in unterschiedlichen Haftanstalten einsitzen. Mit dem jüngeren Angeklagten sitzt er nach wie vor ein. Der Prozess wird fortgesetzt.

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