Halbschmarotzer befällt immer mehr Apfelbäume - Landkreis Gießen sucht nach Lösungen
Mittlerweile sind ganze Streuobstwiesen mit Misteln verseucht. Der Halbschmarotzer sorgt auf Dauer für das Absterben der Bäume. Nun will der Landkreis Gießen reagieren.
Gießen - Das Zitat wird Martin Luther zugeschrieben: »Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.« Ob er das wirklich gesagt hat, sei dahingestellt. Klar ist jedoch, dass im vergangenen Jahr - ganz im Sinne Luthers - 92 Obstbäume im Landkreis Gießen gepflanzt und dafür Förderanträge eingegangen sind. Über fünf Anträge werde aktuell noch entschieden, teilte der Landkreis auf Anfrage mit.
Bei den 92 Bäumen handelt es sich nicht nur um Apfelbäume. Der Landkreis fördert auch Walnuss, Zwetschgen, Birne und Kirschen auf Streuobstwiesen, wenn es sich um Hochstämme handelt.
Bäume pflanzen bringt jedoch nichts, wenn sich danach nicht mehr darum gekümmert wird. Ein junger Apfelbaum braucht einen regelmäßigen Schnitt, damit aus ihm ein großer und gesunder Baum wird. Insgesamt 130 Pflegeschnitte förderte der Landkreis im vergangenen Jahr.
Landkreis Gießen: Mistel von der Seltenheit auf Eroberungskurs
Bei diesen Schnitten stoßen Baumbesitzer gerade im Ostkreis Gießen jedoch immer häufiger auf einen Halbschmarotzer: die Mistel. War sie vor ein paar Jahrzehnten noch eine Seltenheit und später auch nur auf ungepflegten Bäumen zu finden, hat sie mittlerweile ganze Streuobstgürtel erobert. Denn Vögel fressen die Beeren und tragen die Samen dann mit ihrem Kot auf andere Bäume.

Beim Landkreis Gießen nahm man das Problem 2019 noch nicht ernst. Damals hieß es auf Anfrage dieser Zeitung: »Leider sind Misteln als Weihnachtsschmuck bei uns noch nicht so sehr verbreitet, dann würde bei stärkerer Nachfrage eine Lösung des Problems näher rücken.«
Vier Jahre später ist der Ernst der Lage erkannt: »Der Mistelbefall in Streuobstbeständen wird zunehmend zu einer Bedrohung für die überwiegend alten Bäume«, teilte der Landkreis vor wenigen Tagen mit. Umweltdezernent Christian Zuckermann traf sich daher im vergangenen Frühjahr mit Aktiven aus dem Obst- und Gartenbau und ehrenamtlichen Naturschützern. Dabei ließ er sich die aktuelle Lage erklären.
Kreis Gießen: Mangelnde Baumpflege als Ursache für Mistelausbreitung
»In Folge dessen hat die Untere Naturschutzbehörde (UNB) sich dem Thema angenommen und geprüft, inwieweit die Änderung der Förderung von Hochstammobstbäumen möglich ist und Gespräche mit verschiedenen Akteuren (Obere Naturschutzbehörde, Landschaftspflegevereinigung, Ehrenamtlern, Hessen Forst) geführt«, heißt es vom Landkreis.
Dort sieht man als eine Ursache der Plage die mangelnde Pflege vieler Baumstücke an: »Den Mistelbefall zurückzudrängen wird mit großer Wahrscheinlichkeit nur mit stetig erfolgender Pflege der Bestände gelingen.« Und weiter heißt es: »In Zusammenarbeit mit der Landschaftspflegevereinigung Gießen und unter Zustimmung der Oberen Naturschutzbehörde konnte die UNB darauf hinwirken, dass die Pflege von mit Misteln befallenen Bäumen in den Arbeits- und Maßnahmenplan für das Jahr 2023 aufgenommen werden konnte.«
So sollen als erste Maßnahme in einigen Gebieten im Ostkreis die Bestände von Misteln befreit und die Baumpflege dauerhaft geregelt werden. »Hier ist der Druck am größten«, erklärte die Pressestelle. (Patrick Dehnhardt)