Mehr Fahrradstellplätze, aber längst nicht genug

Gießen (us). Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) Gießen hat sich an den Schulen im Landkreis umgeschaut. 243 brauchbare Stellplätze für Fahrräder hat Vorstandsmitglied Jan Fleischhauer auf seiner Liste. Und nur an zehn von 60 Schulen gebe es Anlagen, an denen man Fahrräder sicher und geschützt abstellen kann. Auf diese Zählung hat sich Fleischhauer berufen, als er vor zwei Wochen in einem Gastbeiträg für diese Zeitung bedauerte, dass der Kreis Gießen in den letzten Jahren an seinen Schulen im Bereich sicheres Fahrradparken nicht vorangekommen sei. »Mehr als 80 Prozent der Schulen haben keine sicheren Fahrradabstellanlagen, obwohl der Landkreis beim Klimaschutz Vorreiter sein will«, schrieb Fleischhauer. Nun hat ihm die Schuldezernentin widersprochen. »An vielen Schulen befinden sich bereits neue und sichere Fahrradabstellanlagen«, schreibt Dr. Christiane Schmahl in einer Pressemitteilung und verweist auf Beispiele aus Buseck, Lich, Laubach oder Hungen. Zudem seien weitere Anlagen in Planung. »Der Landkreis Gießen kommt seinen Aufgaben sehr wohl dauerhaft nach«, findet Schmahl.
Fleischhauer kann sie mit ihrer Argumentation nicht überzeugen. Das Vorstandsmitglied des ADFC Gießen erinnert an eine Auswertung zum Thema Fahrradparken, die der ADFC dem Landkreis erstmals 2012 zur Verfügung gestellt habe. Damals habe man an fünf von 60 Schulen angemessene Abstellanlagen vorgefunden. Auch wenn es mittlerweile zehn sind: Die Aussage, dass 80 Prozent der Schulen keine sicheren Abstellanlagen haben, könne der Kreis nicht widerlegen. »Dass Frau Dr. Schmahl nun ankündigt, dass einige weitere Schulen demnächst neue Abstellanlagen bekommen, freut uns sehr.«
Fleischhauer stellt auch einen Vergleich zwischen Stadt und Landkreis an. Gießen habe seit 2012 fast 1000 zusätzliche Stellplätze geschaffen und komme für die rund 14 000 Schülerinnen und Schüler nun auf eine Zahl von 1650. Für den Landkreis habe der ADFC im gleichen Zeitraum ein Plus von lediglich 111 neuen Stellplätzen gezählt. Auch wenn in diese Berechnung eine unbekannte Zahl neuer Stellplätze an der DBS in Lich und im Fahrradkeller der Friedrich-Magnus-Gesamtschule Laubach nicht eingeflossen sind, bleibt der ADFC bei seiner Einschätzung: Die Veränderungen reichen nicht. 243 + x Stellplätze für rund 14 000 Kinder und Jugendliche seien zu wenig. »Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass der Schülerradverkehr im Landkreis (leider) noch geringer ausgeprägt ist als in der Stadt Gießen«, schreibt Fleischhauer. Das liege aber auch daran, dass die Stadt Gießen durch Kampagnen wie den Wettbewerb »Schulradeln« seit Jahren deutlich das Radfahren bewirbt. Die Gesamtschule Gießen Ost habe dazu auch schon Preise gewonnen.
In seine 80-Prozent-Rechnung hat Fleischhauer auch die Grundschulen im Landkreis Gießen einbezogen. Das will die Schuldezernentin nicht gelten lassen. Ihr Argument: Von den meisten Grundschulen werde gar nicht gewünscht, dass die Kinder mit dem Rad kommen, denn Verkehrserziehung stehe erst in der vierten Klasse auf dem Stundenplan. Eine Ausnahme sei die Wiesengrundschule in Leihgestern, hier radelten auch schon die Erstklässler.
Der ADFC sieht Handlungsbedarf. »Aus unserer Sicht wäre es Aufgabe der Kreisverwaltung, mit den Schulleitungen zu sprechen und diese zu überzeugen, dass pauschale Empfehlungen, nicht mit dem Rad zur Schule zu kommen, nicht sinnvoll sind.« Dass es anders gehe, zeige das Beispiel der Wiesengrundschule und vieler Gießener Grundschulen. Dort habe man erkannt, dass die »Elterntaxis« die größte Gefahr vor den Schuleingängen darstellten.