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Geflüchtete im Kreis Gießen: Es braucht mehr als eine erste Unterkunft

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Von: Rüdiger Soßdorf

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Sprachkurse, bezahlbarer Wohnraum, Kita-Plätze, zusätzliche Klassenzimmer und Lehrer - es braucht mehr als eine gelingende Erstunterbringung von Geflüchteten. Auch im Kreis Gießen sind die Kapazitäten nicht unerschöpflich.

Gießen - Der Druck war und ist groß. Deshalb beeilten sich Bund und Länder mit dem Einberufen des »Flüchtlingsgipfels« vergangene Woche. Doch bei denen, die die Arbeit lokal, vor Ort, zu leisten haben, herrschte danach Enttäuschung. Denn finanzielle Zusagen gab es beim Spitzentreffen unter Leitung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser nicht. Da soll vor Ostern nochmals nachverhandelt werden, ob und wie Bund und Länder den Kommunen mit weiteren Milliarden unter die Arme greifen können.

Denn es geht nicht nur um die Erstunterbringung von Geflüchteten, die hier Schutz suchen. Die auf Dauer drängendere und langwierige Aufgabe bleibt: Wie ist Integration zu bewerkstelligen? Wo und wie sind Betreuungsplätze in den Kindertagesstätten zu organisieren? Wie zusätzliche Räume und Fachkräfte in den Schulen? Wie sieht es mit Sprachkursen aus? Was ist mit der Integration in den Arbeitsmarkt für die Menschen aus der Ukraine, aus Syrien, aus Afghanistan und anderswo? Da hat das Berliner Krisentreffen nicht direkt weitergeholfen.

Geflüchtete im Kreis Gießen: Situation ist aktuell zu handhaben

Die Probleme und Aufgabenstellungen zeigen sich auch hier, im Landkreis Gießen. Auch wenn die Situation - zumindest was die Erstunterbringung angeht - derzeit zu handhaben ist. Noch gibt es Wohnraum für Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften, in angemieteten Hotels et cetera. Auch wenn die Akquise weiterer Gebäude oder auch Flächen zunehmend schwieriger wird.

Doch was dann? Die weitere Versorgung mit Wohnraum bleibt zentrales Thema, so der Landkreis Gießen auf Anfrage. Denn es fehlt für die Menschen schlicht an bezahlbaren Wohnungen auf dem freien Markt.

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Sprache als Schlüssel zur Integration. Der Landkreis Gießen organisiert Deutschunterricht für Geflüchtete. SYMBOL © DPA Deutsche Presseagentur

»Noch heute leben viele Menschen, die 2015 und in den Jahren danach gekommen sind, in unseren Gemeinschaftsunterkünften«, heißt es aus dem Kreishaus auf Anfrage. Und das, obwohl sie bereits als Asylsuchende anerkannt sind und über SGB II oder SGB I finanziell unterstützt werden - oder bereits in Ausbildung und Arbeit sind. Sie finden einfach nichts Bezahlbares.

»Damit verringert sich das Platzangebot in den Unterkünften, welches wir dringend bräuchten«, so eine Kreissprecherin.

Da sieht man auch in der Gießener Kreis-Spitze den Bund in der Pflicht: Denn schließlich organisiert der Kreis Gießen (wie andere Kommunen auch) die Unterbringung auf Weisung des Bundes, ist dazu verpflichtet, diese Aufgabe wahrzunehmen. »Dieser Aufgabe wollen wir uns auch nicht entziehen und weiterhin dafür sorgen, dass Geflüchtete hier im Landkreis gut ankommen können«, unterstreicht Landrätin Anita Schneider.

Kreis Gießen mit guter Organisation bei der Erstunterbringung

Aber gerade deshalb sei es mehr als gerechtfertigt, den Kommunen die entstehenden Kosten durch Bund und Land zu erstatten. Dies geschieht derzeit - gemessen an den Ausgaben - nicht zu 100 Prozent, so die Klage des Kreises. - Die Frage der Erstunterbringung handhabt der Kreis Gießen nach Einschätzung von Lars Burkhard Steinz aus Heuchelheim souverän und gut. Der Sprecher der Kreisbürgermeister hat dieser Tage im Gespräch allerdings dargelegt, dass bei Folgeaufgaben an Grenzen gestoßen wird: Etwa bei Kita-Plätzen. Oder bei den Möglichkeiten, die Schulen haben. Ein weiteres Beispiel ist die Sprachvermittlung: Steinz stellt seit einigen Monaten in Heuchelheim kommunale Räume zur Verfügung.

In Kooperation mit Ehrenamtlichen und der Kreisvolkshochschule werden Sprachkurse vornehmlich für Frauen aus der Ukraine organisiert und parallel die Betreuung von deren Kindern. Die Kreisvolkshochschule hat ihr Kursangebot im letzten Jahr im Vergleich zu 2021 von 53 (2021) auf 121 (2022) Kursmodule mehr als verdoppelt, berichtet der zuständige Kreis-Dezernent Christopher Lipp (CDU) auf Anfrage. Aktuell führt die Volkshochschule 28 parallel laufende Sprachförderangebote im Landkreis Gießen durch. »Dies ist nur möglich, weil es uns gelungen ist, die Anzahl unserer Lehrkräfte im Vergleich zu 2021 ebenfalls zu verdoppeln, nämlich von 14 auf 28 Kursleitungen«, erklärte Lipp.

Kreis Gießen: Schülerzahlen an den Grundschulen steigen ohnehin

Aber auch da sind Grenzen in Sicht. »Fakt ist, dass wir aufgrund von konkreten Anfragen 13 weitere Kurse in Planung haben, deren schnelle Umsetzung jedoch derzeit hauptsächlich an der mangelnden Verfügbarkeit von weiteren Lehrkräften und geeigneten Räumlichkeiten scheitert«, zeigt der Kreis Grenzen auf.

Ohnehin steigen die Schülerzahlen an den Grundschulen wie an den weiterführenden Schulen im Kreis. Hinzugekommen sind in den vergangenen Monaten weitere 600 ukrainische Schülerinnen und Schüler. Auch da versucht der Kreis als Schulträger nachzulegen. Bereits im vergangenen Sommer wurden an mehreren Schulen, an denen es besonders eng war, zusätzliche Klassenraum-Container aufgestellt. Derzeit laufen die Planungen für weitere, die im kommenden Sommer bereitstehen sollen. (Rüdiger Soßdorf)

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