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Lumdatalbahn als »Paradebeispiel«

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Von: Stefan Schaal

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»Für den Atomausstieg müssen wir uns nicht entschuldigen«, betont der Grünen-Politiker Tarek Al-Wazir (2.v.l.) im Gespräch mit Parteifreunden. © Stefan Schaal

Der Landtagswahlkampf hat am Donnerstag den hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir nach Leihgestern geführt. Im Gespräch mit kommunalen Grünen-Politikern berichtete er von Hintergründen zur Reaktivierung der Lumdatalbahn - und erklärte, zur Rettung der »Schamott« beigetragen zu haben. Wie so einige.

Das Vorhaben zieht sich. Seit Jahren. »Die Reaktivierung der Lumdatalbahn ist ein Paradebeispiel dafür«, erklärt der hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek al-Wazir, »warum wir in Deutschland so langsam sind.«

Der Grünen-Politiker sitzt am Donnerstagmittag im Landgasthof »Beim Philipp« in Leihgestern, bestellt eine Portion Kalbsleber. »Kompliziert«, sagt er zur Lumdatalbahn. Der Spitzenkandidat der Grünen für die Landtagswahl im Oktober spricht mit Parteifreunden aus dem Kreisgebiet, diskutiert über die Wahrnehmung der Grünen und erkundigt sich nach der politischen Situation in Linden.

Im Rahmen der Planungen für die Lumdatalbahn ist zumindest in den vergangenen Wochen wieder Bewegung eingekehrt, nachdem die Hessische Landesbahn im März angekündigt hat, die gesamte Strecke zu erwerben und eine Reaktivierung auch für Personenzüge weiter anzugehen. Unterdessen musste Al-Wazir in den Diskussionen in den vergangenen Monaten durchaus Kritik einstecken. SPD-Landespolitiker haben ihm beispielsweise vorgeworfen, sich »hinter kommunalen Zuständigkeiten und bundeseinheitlichen Prüfverfahren« zu verstecken.

Im Gespräch in Linden betont Al-Wazir unterdessen: »Das Problem war ja anfangs, dass die Investitionskosten nach dem damaligen standartisierten Bewertungsverfahren so hoch waren«, dass das Projekt als nicht rentabel erschien. Eine Kostenschätzung aus dem Jahr 2020 kalkulierte rund 32 Millionen Euro für die Reaktivierung der Strecke bis Londorf. Sein Ministerium habe daher inzwischen »auf Bundesebene am Beispiel der Lumdatalbahn eine neue standardisierte Bewertung angeschoben«, sagt Al-Wazir.

Vorher habe zum Beispiel das Klima kaum eine Rolle gespielt. »Und wenn neben den Bahngleisen eine ordentliche Busverbindung existiert hat, war das schlecht für die Bewertung eines solchen Projekts.« An diesen Kriterien habe man etwas geändert. Jetzt werde die Reaktivierung der Lumdatalbahn »neu durchgerechnet, dann landet sie hoffentlich deutlich vorne, und dann muss man das Projekt umsetzen.« Al-Wazir fügt hinzu: »Die Hoffnung ist da.«

Die Hessische Landesbahn hat auch die Vorhabenträgerschaft für die Wiederherstellung des Streckenabschnitts der Lumdatalbahn zwischen Mainzlar und Lollar übernommen, zunächst für den Güterverkehr. Bereits im kommenden Winter sollen dort wieder Güterzüge vor allem im Auftrag des RHI-Werks in Mainzlar fahren. Nachdem im Sommer vergangenen Jahres die Schließung des Werks, der »Schamott«, abgewendet wurde, vollzog sich ein erstaunliches Schauspiel: Die Rettung war in erster Linie eine unternehmerische Entscheidung, getroffen von der Konzernzentrale in Wien. Politiker so gut wie jeder Couleur aus der Region sonnten sich indes im Rampenlicht und nahmen für sich in Anspruch, maßgeblich zur Rettung der »Schamott« beigetragen zu haben.

Und auch Al-Wazir erklärt, eine Rolle gespielt zu haben. Durch ein Förderprogramm für Güteranschlüsse, »was ich eingeführt habe«, sei dazu beigetragen worden, dass der Standort erhalten wird.

Für die Grünen ist der Landgasthof in Leihgestern indes ein historischer Ort. Hier hat sich 1979 der Landesverband der Partei gegründet. Die Lindener Grünen-Politiker sprechen Al-Wazir während des gemeinsamen Mittagessens derweil auch auf Erfahrungen im Anfang April beendeten Bürgermeisterwahlkampf in der Stadt an. »Du bist ein netter Kerl, aber wir können doch keinen Grünen wählen«, habe der Bürgermeister-Kandidat der Grünen, Dennis Dern, immer wieder an Haustüren gehört. Das liege an der Kommunikation der Partei auf Bundes- und Landesebene, sagt eine Lindener Grüne.

Erfolge der Partei würden häufig öffentlich nicht wahrgenommen, erwidert Al-Wazir. »Auch weil wir uns selbst in unserem Blick verengen.« Er fügt hinzu: »Für den Atomausstieg zum Beispiel müssen wir uns nicht entschuldigen.«

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