Luftembolie als Todesursache
Im Prozess um die Bluttat von Daubringen hat nun ein Rechtsmediziner erläutert, wie der 70-Jährige zu Tode gekommen ist. Auch ging es um die Frage, inwieweit der Angeklagte sich mit Kampfsport auskannte.
An den ersten drei Verhandlungstagen zum tödlichen Messerangriff in Daubringen Ende Februar hatten vor allem die Erinnerung des Angeklagten und der Augenzeugen an den Tatabend sowie deren teils komplizierte Beziehungen zueinander im Fokus gestanden, außerdem hatten Polizisten über den Abend berichtet. Am gestrigen Dienstag waren zu Beginn zwei Gießener Rechtsmediziner an der Reihe. Es ging vor allem um die schweren Verletzungen, denen das 70-jährige Opfer noch am Tatort erlegen war. Ein 57-Jähriger ist angeklagt, er soll sein Gegenüber in einem zunehmend eskalierenden Streit getötet haben.
Vor Ort habe man Blutspuren auch auf dem Gehweg und an einer Mauer gefunden, sagte Rechtsmediziner Christopher Hochscheid. Die Obduktion des 70-Jährigen am Folgetag habe insgesamt fünf »scharfe Gewalteinwirkungen« ergeben. Abwehrspuren seien nicht nachweisbar. Neben einer elf Zentimeter tiefen Stichwunde im Unterbauch sei es zu Schnittverletzungen im Bereich des Gesichts und Halses gekommen - ob es drei oder vier waren, lasse sich nicht mit Sicherheit klären. Eine Verletzung habe dazu geführt, dass »die Nasenspitze abklappbar« war. Am gravierendsten war laut Hochscheid ein circa 30 Zentimeter langer Schnitt, der sich von der rechten Wange bis zur linken Halspartie gezogen habe. Die Drosselvene sei dabei durchtrennt worden, was zu hohem Blutverlust und einer Luftembolie geführt habe - und letztlich zum Tod.
Die Verletzungen passen laut dem Rechtsmediziner zu Schnitten, die ein vor dem Opfer stehender Täter mit der rechten Hand ausgeführt haben könnte. Die Schnitte ließen sich mit jenem Messer mit knapp zehn Zentimeter langer Klinge in Einklang bringen, das die Polizei später im Haus des Angeklagten fand.
Erhöhter Alkoholpegel
Laut Hochscheid ist davon auszugehen, dass das Opfer nur noch für wenige Minuten handlungsfähig war, »das Herz pumpt quasi trocken«. Zur Sprache kam auch der Blutalkoholpegel des Angeklagten, der am Tatabend zweimal gemessen wurde. Zur Tatzeit habe dieser Wert bei ihm rechnerisch etwa zwischen 1,74 und 1,96 Promille gelegen, so der Rechtsmediziner.
Anschließend sagte eine Kommissaranwärterin aus, die Mobiltelefone im Zusammenhang mit der Tat ausgewertet hatte. Demnach haben der später Getötete und ein 46-Jähriger, den der Angeklagte am Tatort ebenfalls mit einem Messer verletzt haben soll, an jenem Tag mehrfach telefoniert. Der Jüngere, ein ehemals enger Freund des Angeklagten, hatte ein Verhältnis mit dessen Ex-Freundin begonnen. Zwischen dem Ex-Paar soll es immer wieder zu Streit um die gemeinsamen Kinder gekommen sein, auch an jenem Tag. Der 46-Jährige und der 70-Jährige sollen sich dabei auf die Seite der Frau geschlagen haben und daher auch am Tatabend vor Ort gewesen sein, als die Tochter übergeben werden sollte.
Auch Sprachnachrichten und WhatsApp-Chats zwischen dem Angeklagten und seiner Ex waren Thema: »Da sind mir einige Beleidigungen in Richtung Drohung aufgefallen«, so die Zeugin. Über Sprachnachrichten habe sich die Kommunikation am Tattag hochgeschaukelt. Sie zeugen von gegenseitigen Beschimpfungen, auch von »Abschaum« ist die Rede. Seit 2018, so die Zeugin, habe es auch wechselseitige Anzeigen gegeben: Einmal warf der 70-Jährige dem Angeklagten einen Verstoß gegen das Waffengesetz vor, in anderen Fällen ging es etwa um Beleidigungen.
Inwieweit war der Angeklagte mit Kampfsport vertraut? Zu dieser Frage berichtete ein Kriminalhauptkommissar von den Ermittlungen, insbesondere auf Basis der Auswertung von Handy-Daten des Angeklagten. Bereits im Februar 2019 habe dieser sich eine Preisliste eines Kampfsport-Studios heruntergeladen. Dessen Inhaber habe aus Sicht der Polizei zur Art des Trainings und den Kontakten zum Angeklagten gelogen.
Bis zum Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 sei der Angeklagte dort angemeldet gewesen. Während des Lockdowns, so der Polizist, habe der Inhaber des Studios Videos hochgeladen, damit Teilnehmer sich bei privatem Training daran orientieren können. Darauf seien auch blitzschnelle Bewegungen mit Stöcken und Messerattrappen zu sehen, die so auch die tödliche Verletzung des 70-Jährigen am Hals erklären könnten, sagte der Zeuge. Dieser beherrsche die Kampftechnik allerdings nicht, könne dies daher nicht beurteilen, monierte Verteidigerin Dagmar Nautscher.