Streit über Siedlungspläne hält an
Lollar (jwr/pm). Die Vertreter der Bürgerliste im Ortsbeirat Ruttershausen bekräftigen in einer Pressemitteilung ihre Kritik an einem rund 26 Hektar großen Baugebiet, das am westlichen Ortsrand von Ruttershausen bis in die Gemarkung Odenhausen mittelfristig entstehen könnte. Hintergrund: Derzeit läuft das Beteiligungsverfahren für die Fortschreibung des Regionalplans Mittelhessen.
Der Entwurf sieht für Ruttershausen über das in Planung befindliche Areal »Unterm Grasweg« (insgesamt etwa 3 Hektar und gut 30 Bauplätze) hinaus auch die genannte Erweiterung als Siedlungsfläche vor.
Die Bürgerliste geht von circa »600 zusätzlichen Wohneinheiten« aus, dies sei »völlig überdimensioniert«. Am Montag habe der Ortsbeirat »einstimmig gegenüber der Stadt Lollar beantragt, dass alle im aktuellen Entwurf des Regionalplans für Ruttershausen ausgewiesenen Bauflächen - abgesehen vom beschlossenen Bauabschnitt - als ›Vorranggebiet Siedlungsfläche Planung‹ abgemeldet« und aus dem kommunalen Flächennutzungsplan gestrichen werden.
Bereits 2019 habe eine Machbarkeitsstudie im Auftrag der Stadt zu diesem großen Baugebiet zu massiver Kritik geführt. »Nachdem sich die CDU- Fraktion von Anfang an gegen das geplante Baugebiet ausgesprochen hatte«, habe im Wahlkampf 2021 auch die rot-grüne Koalition »wiederholt beteuert«, dass mit »Unterm Grasweg« die Bebauung Ruttershausens beendet werde.
»Die Grünen erklärten sogar, dass sie dem Teilprojekt ›Unterm Grasweg‹ nur zustimmen würden, wenn ausschließlich nur dieser Bereich bebaut werde«, heißt es in der Mitteilung. Auch sei im neuen Koalitionsvertrag vereinbart, dass »in Ruttershausen nur die kleine Variante« ohne Option auf Erweiterung realisiert werde.
Gerade im Rahmen der Neuaufstellung des Plans sei es an der Zeit, »die zukünftige Ausrichtung der Kommune zur Siedlungspolitik zu hinterfragen«, schreibt Ortsvorsteher Michael Sauer (Bürgerliste). »Auch die ›neue‹ Argumentation des SPD-Fraktionsvorsitzenden Norman Speier, dass das große Bebauungsgebiet im Bereich Ruttershausen weiter ausgewiesen werden soll, damit man ein ›Tauschpfand‹ für das gewünschte Baugebiet im Bereich Salzböden habe, greift nach Ansicht der Bürgerliste nicht«, so Sauer weiter. Denn da der genehmigte Regionalplan eine bindende Wirkung habe, »würde es den Grundprinzipien der Planung widersprechen, dann noch irgendwelche Flächen ›auszutauschen‹«. Vielmehr sei »der gegenteilige Effekt für Salzböden zu erwarten: Solange im städtischen Gebiet (Ruttershausen) noch ausreichend potenzielle Siedlungsflächen ausgewiesen sind, wird es wohl schwer möglich sein, an anderen Stellen neue Baugebiete in Freiflächen zu begründen und durchzusetzen«.
Für die Bürgerliste erklärt Martina Karber, dass »unabhängig von der fehlenden Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit eines so großen Baugebiets« laut Regionalplanung die Siedlungstätigkeit »vorrangig auf vorhandene Siedlungen mit ausreichender Infrastruktur und auf zentrale Orte auszurichten« sei. Die Ausweisung einer Siedlungsfläche in dieser Dimension für einen kleinen Ortsteil widerspreche »allen Kriterien einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums«. Karber verweist unter anderem auf »negative Umweltaspekte«, auch seien »massive Eingriffe in die Lebensqualität der Dorfgemeinschaft« zu befürchten.
Die Vertreter der Bürgerliste rufen alle Bürger auf, »die Möglichkeiten des öffentlichen Beteiligungsverfahrens zu nutzen und eine Stellungnahme abzugeben«, die Unterlagen seien online zu finden. Außerdem plane die Bürgerliste eine Bürgerversammlung.
Im Lollarer Bauausschuss war die im Regionalplan-Entwurf vorgesehene Siedlungsfläche am Dienstag Thema. Nach einer Diskussion hatte der Ausschuss, wie berichtet, gegen die Stimmen der CDU den Aufstellungsbeschluss für »Unterm Grasweg« gefasst. Als es um »Verschiedenes« ging, verwies Sauer auf den Antrag des Ortsbeirats, die darüber hinausgehende Erweiterungsfläche aus dem neuen Regionalplan-Entwurf zu streichen, und unterstrich seine Kritik, vor allem in Richtung Koalition. »Merkwürdig, dass die Kritik immer aus Ruttershausen kommt«, entgegnete Bürgermeister Dr. Bernd Wieczorek. Darauf Sauer: »Warum Ruttershausen immer meckert? Es sind 26 Hektar Ruttershausen! Wir sind die Leidtragenden, wenn man den Regionalplan umsetzen würde. Wir wollen gern ein Dorf bleiben.« Man könne ja nichts dafür, einst zu Lollar gekommen zu sein. »Ich möchte hier nicht die Gebietsreform noch kommentieren«, meinte Wieczorek und regte an, »von dem Kirchturmdenken mal abzurücken«. Er sähe in der Erweiterung »einen Zugewinn für Ruttershausen«.
Dem Ortsbeirat sei mitgeteilt worden, dass im Rahmen der Regionalplan-Offenlage jeder die Möglichkeit habe, Stellung zu beziehen. Aufgrund der Sitzungsfolge sei es aber schwierig, im Parlament rechtzeitig eine Stellungnahme zu verabschieden. Im Ältestenrat sei daher vereinbart worden, dass der Magistrat Eingaben der Fraktionen sammeln, einen Beschluss fassen und dies dem Regierungspräsidium weitergeben könne. Sauer kritisiert diese Argumentation und moniert, dass durch die Nichtbehandlung des Regionalplans im Parlament »eine öffentliche, transparente Diskussion des Themas verhindert« werde.
Laut Mitteilung der Bürgerliste habe Erster Stadtrat Bernd Maroldt im Ortsbeirat geäußert, »dass sich der Magistrat bereits mit dem Thema befasst habe und dass er persönlich derzeit davon ausgehe, dass die Stadt Lollar die Flächen nicht abmelden werde«.
Inzwischen haben die Kreis-Bürgermeister sich geschlossen für eine Fristverlängerung bezüglich der Stellungnahmen bis Ende Mai ausgesprochen.