1. Gießener Allgemeine
  2. Kreis Gießen
  3. Lollar

Russisches Konsulat wirft Schule im Kreis Gießen russophobes Verhalten vor

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Jonas Wissner

Kommentare

Mitte März haben Schülerinnen und Schüler der Clemens-Brentano-Europaschule ein Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine gesetzt. Die Behauptung, an der Schule sei Russisch in den Pausen verboten, weist Schulleiter Andrej Keller aber entschieden zurück. (Archivfoto)
Mitte März haben Schülerinnen und Schüler der Clemens-Brentano-Europaschule ein Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine gesetzt. Die Behauptung, an der Schule sei Russisch in den Pausen verboten, weist Schulleiter Andrej Keller aber entschieden zurück. (Archivfoto) © Gabi Kraemer

Das russische Generalkonsulat in Bonn wirft einer Schule in Lollar (Kreis Gießen) russophobes Verhalten vor. Die Clemens-Brentano-Schule sieht das anders.

Das russische Generalkonsulat behauptet auf Facebook, an einer Lollarer Schule sei Russisch in Pausen verboten. Clemens-Brentano-Europaschule-Leiter Andrej Keller hält dagegen: Das sei „böswillige Propaganda“, die russische Sprache vielmehr gerade jetzt ein wichtiges Kommunikationsmittel.

Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine häufen sich auch Berichte darüber, dass Menschen in Deutschland angefeindet werden, weil sie Russisch sprechen. Es ist eine von vielen tragischen Begleiterscheinungen dieses brutalen Krieges, der sich auch hierzulande auswirkt.

Lollar im Visier: Russische Generalkonsulat in Bonn mit Vorwürfen gegen Schule im Kreis Gießen

Dass Berichte über vermeintliche antirussische Vorfälle aber nicht immer tatsächliches Geschehen widerspiegeln, zeigt ein Beispiel mit Bezug zu Lollar: Das russische Generalkonsulat in Bonn hat unter anderem am 31. März bei Facebook angebliche „Fälle der Diskriminierung und Verfolgung der russischsprachigen Bevölkerung in Deutschland“ aufgelistet.

In dem Post von jenem Tag heißt es : „Die Ausbreitung von Russophobie und Diskriminierung russischsprachiger Kinder geht in deutschen Schulen in Oldenburg, Twistringen, Lollar weiter. Es gibt Verbote, in den Pausen untereinander Russisch zu sprechen.“ Um welche Lollarer Schule es sich handeln soll, bleibt offen.

Dem Leiter der Lollarer Clemens-Brentano-Europaschule (CBES), Andrej Keller, ist der gravierende Vorwurf des Generalkonsulats bekannt – und er weist ihn für seine Schule auf GAZ-Anfrage entschieden zurück. „Es gibt keine offizielle Diskriminierung“, betont er. Als ihn das Schulamt neulich zu dem Thema kontaktiert habe, sei er zunächst von einer Art schlechtem Scherz ausgegangen, „das ist so absurd!“.

Schulleiter in Lollar (Kreis Gießen) geschockt: „Ich kann mir absolut keinen Reim darauf machen“

Keller weiter: „Wir hören es gern, wenn auf dem Schulhof Deutsch gesprochen wird“, immerhin sei das die hiesige Amtssprache. Das bedeute aber keineswegs, dass andere Sprachen „verboten“ seien. Er könne sich bis heute nicht erklären, wie das Konsulat zu seiner Behauptung kommt, „ich kann mir absolut keinen Reim darauf machen“.

Ihm sei nichts zugetragen worden, was den Vorwurf stützen könnte. Er kenne aus den Reihen der Schulgemeinde keinerlei Beschwerden über vermeintliche Diskriminierung von Russisch sprechenden Schülern an der CBES, auch nicht von Eltern. „Das ist böswillige Propaganda.“

Der Schulleiter betont: „Wir stehen für Vielfalt, Demokratie, Meinungsfreiheit – für alles, was von der Führung in Moskau nicht gern gesehen wird.“ Keller verweist auch auf das Siegel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, mit dem die CBES klare Kante zeigt.

Schweigeminute für die Ukraine: Schule in Lollar wert sich gegen rassistische Vorwürfe

Bei einer Schweigeminute im März habe man an der Schule ganz bewusst auch russischer Opfer des Krieges gedacht. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands handle. Das werde an der CBES auch deutlich vermittelt, „da gibt es kein Duckmäusertum“.

Gerade jetzt, da auch an der CBES Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine unterrichtet werden, sei die russische Sprache zentral. Er habe nun eine Lehrkraft mit dem Fach Russisch eingestellt, auch mit ukrainischen Schülern und deren Müttern laufe die Kommunikation teils in dieser Sprache, so Keller.

Ukrainer an Schule im Kreis Gießen: „Viele haben ein sehr hohes Bildungsniveau“

Laut dem CBES-Leiter werden an der Schule – abgesehen von den noch laufenden Osterferien – aktuell mindestens 15 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine im Alter von zehn bis 15 Jahren betreut, weitere könnten folgen. Eine vierte „DaZ-Klasse“ (Deutsch als Zweitsprache) werde nun für die Neuankömmlinge eingerichtet.

Ziel solcher „Intensivklassen“ ist, Schülerinnen und Schüler auf den Regelunterricht vorzubereiten. „Spannend ist: Viele Ukrainer, die nun hier vor Ort leben, haben ein sehr hohes Bildungsniveau, sind sehr wissbegierig“, sagt Keller – und erwähnt, dass auch Eltern mit Wurzeln in Russland nun teils Ukrainer aufgenommen hätten.

Keine Spur von Anfeindungen: Schule in Lollar (Kreis Gießen) findet keine Beweise

„Das ist kunterbunt – von Anfeindungen an der Schule habe ich nichts mitbekommen“, bezieht sich Keller noch einmal auf die Behauptung des Generalkonsulats.

Für dessen Personal könnte ein Realitätscheck in Lollar womöglich erhellend sein, um die nicht belegten Vorwürfe mit dem tatsächlichen Schulalltag abzugleichen. Ob die Vertreter des russischen Staats daran wirklich ein Interesse haben, steht auf einem anderen Blatt. (Jonas Wissner)

Die Solidarität mit der Ukraine ist groß. Erst kürzlich hatten eine Lehrerin und Schüler aus Gießen Hilfsgüter bis ins Kriegsgebiet gebracht.

Auch interessant

Kommentare