Mehrheit für Investorenvertrag

Lollar (vh). Baugebiete an der Daubringer Straße und am Holzmühler Weg (beide Kernstadt) hat die Stadtverwaltung in den vergangenen Jahren durch einen Investor erschließen lassen. Den Rosenweg in Ruttershausen wollte man eigentlich verwaltungsintern auch voranbringen. Die Gießener Firma Inikom hatte bereits 2019 eine Interessensbekundung dafür eingereicht.
Dann kamen die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und die Bürgermeisterwahl, in der Folge ein Stillstand im Verfahren. Dem Bauausschuss präsentierte Inikom jetzt den Entwurf für einen städtebaulichen Vertrag mit der Stadt Lollar zur Vermarktung des Baugebietes.
Der vorherige Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern nahm prompt wieder ordentlich Fahrt auf. Dr. Jens-Christian Kraft (CDU) sprach von einer »180-Grad-Wende« und meinte, »eigentlich ist es eine Bombe, dass jetzt mit einem Investor verhandelt wird. Bisher wollte sich die Stadt selbst um den Ankauf kümmern.«
Kraft äußerte rechtliche Bedenken: »Nach unserer Auffassung ist das ausschreibungspflichtig.« Er stellte aufsichtsrechtliche Konsequenzen in den Raum, falls dem städtebaulichen Vertrag zugestimmt würde.
Bürgermeister Jan-Erik Dort sagte: »Die Inikom ist an uns herangetreten, hat uns den Vorvertrag geschickt.« Um der Sache die ihr zustehende Relevanz zu geben, habe der Magistrat entschieden, den Vertrag in die Ausschüsse zu geben. Norman Speier (SPD): »Der Bürgermeister hatte keine andere Wahl«, aber die Fraktionen hätten nach dem Erhalt der Sitzungsunterlagen das Gespräch mit der Stadtverwaltung suchen sollen. Die SPD jedenfalls habe das getan, die CDU wohl nicht.
Ortsvorsteher mit starken Bedenken
Hätte die Stadt wie zunächst geplant Grundstücke selbst erworben, hätte sie Vorkasse leisten müssen, bei knapp drei Hektar Fläche rund vier Millionen Euro. Wegen der unsicheren Preisentwicklung wisse man nicht, wie sich das Bauland verkaufe. Speier: »Was am Ende herauskommt, ob Inikom ankaufen kann und wie das mit der Umlegung geht, muss man sehen.« Die Stadt habe »das Risiko jetzt nicht mehr«, allerdings auch keine Einnahmen, falls der Wiederverkauf funktioniere.
Kraft stellte klar: »Wir kritisieren nicht den Bürgermeister, wir sehen die SPD-Fraktion kritisch.« Skepsis sei angebracht, wenn er an die Verfahrensabläufe beim Baugebiet hinter der AWO und dem zurückgenommenen Bebauungsplan für die Weiherstraße in Odenhausen denke. »Tiefes Misstrauen schwingt mit.«
Friedericke Dietrich, Vertreterin der Inikom, entkräftete den vermeintlichen Ausschreibungszwang. »Falls eine Kommune keine Kosten hat, ist das nicht nötig.« Heidi Alt (Grüne): »Wenn Frau Dietrich davon weiß, warum soll das nur in Lollar anders sein.«
Michael Sauer (Ortsvorsteher Ruttershausen) wiederholte grundsätzliche Bedenken, die er mit einem Großteil der Ruttershäuser teile, ob »das Baugebiet überhaupt noch notwendig ist«. Die Zinsen lägen jetzt bei 4,5 Prozent, Baupreise seien um 20 Prozent gestiegen. Ob hiesige Interessenten sich das Bauen am eigenen Wohnort leisten könnten, sei fraglich. Wer einen Bauplatz bekomme, das gebe die Stadt aus der Hand.
Speier brachte die vom Parlament längst beschlossenen Vergabekriterien ins Spiel. Im Vertrag könne festgelegt werden, dass Inikom in diesem Sinne handeln müsse. Speier: »Auch den Verkaufspreis legen wir fest.« Dietrich sagte: »Wir führen in ihrem Namen die Interessentenliste.« Sauer legte nach: »Die anderen Orte bleiben beschaulich.« Baugebiete in Odenhausen und Salzböden würden verworfen. Nun entschieden Leute, die nicht in Ruttershausen wohnen, über ein Baugebiet, das dort niemand wolle. Speier nannte das »verlogen«.
Bei der Abstimmung gab es vier Jastimmen für den städtebaulichen Vertrag mit Inikom (zwei Neinstimmen/CDU, eine Enthaltung). Der Antrag der CDU-Fraktion, das Baugebiet zu verwerfen, erhielt vier Gegenstimmen (dreimal Ja).