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Fokus auf Konsolidierung

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Von: Jonas Wissner

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Um sich für zukünftige Entwicklungen zu wappnen, gilt es laut der Analyse des Hessischen Rechnungshofs auch, demografische Veränderungen in Lollar (Foto) und seinen Stadtteilen im Blick zu behalten. ARCHIV © Manfred Henss

Lollar (jwr). Die Stadt hat viele Hausaufgaben gemacht, ihre Finanzen über Jahre konsolidiert - doch es bleibt Luft nach oben, um Spielräume zu erhalten: So lässt sich die Landesrechnungshof-Analyse der Lollarer Haushaltsführung grob zusammenfassen. In Kooperation mit dem Finanz- und dem Innenministerium bietet die Institution Kommunen an, ihre Finanzen kostenlos in den Blick zu nehmen und Vergleiche mit ähnlich großen Städten und Gemeinden anzustellen.

Das Ziel: Handlungsoptionen aufzeigen, wie die Kommunalpolitik durch die Reduktion von Aufwendungen oder die Erhöhung von Einnahmen einen dauerhaften Haushaltsausgleich erreichen kann. Dabei gehe es, wie Rechnungshof-Vertreter Ferdinand Koob bei dem »Beratungsgespräch« am Mittwochabend erläuterte, um eine »objektive Darstellung«, nicht aber um Vorgaben oder politische Bewertungen.

Zur Vorstellung der umfangreichen Präsentation war in Lollar die Kommunalpolitik eingeladen, auch die Bürgermeisterkandidaten. Teils Öffentlichkeit bei der Präsentation herzustellen, werde nicht überall so gehandhabt, sagte Claus Spandau, der Beauftragte für Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ). Im Fall von Lollar sei dies »ein gutes Zeichen der Offenheit«. Laut Spandau hat weit mehr als die Hälfte der hessischen Kommunen die »Konsolidierungsberatung« schon in Anspruch genommen, darunter auch die Mehrzahl der Kreiskommunen sowie der Landkreis Gießen.

Koob warf zunächst einen Blick auf den beschlossenen Lollarer Haushalt für 2022: Im ordentlichen Ergebnis weist er ein Defizit von knapp 660 000 Euro aus, das durch Rücklagen aber ausgeglichen werden kann. Ab 2023 seien dann wieder Überschüsse geplant. Auffällig fand Koob bei der Betrachtung ab 2012, dass Lollar damals »hoch defizitär gestartet« sei, dann aber über mehrere Jahre einen Haushaltsausgleich geschafft habe. Entscheidend sei, wie sich die Zahlen gegenüber der Planung tatsächlich entwickeln - und in dieser Hinsicht gab es ein Lob an die Verwaltung: Nur in drei der vergangenen zehn Jahre sei das Rechnungsergebnis schlechter ausgefallen als die Planung. »Das Prinzip des vorsichtigen Kaufmanns« werde hier offenbar angewandt, »Ihre Haushaltsansätze sind sehr gut ausgearbeitet und belastbar.« Als Anregung formulierte Koob, ab 2023 »das eine oder andere an Konsolidierung« zu machen.

Zum Jahresende 2020 habe die Lollarer Verschuldung sich auf 717 Euro pro Einwohner belaufen - laut Koob innerhalb der vergleichbar großen Kommunen ein Wert unterhalb des Durchschnitts. Auch freiwillige Aufgaben waren Thema, dort gebe es für Kommunen die »höchste Steuerungsmöglichkeit«. Bezogen auf den Haushaltsplan 2022 weise Lollar dabei ein vergleichsweise hohes Defizit pro Einwohner auf. Diese Art der Betrachtung und vor allem auch die Umrechnung kommunaler Leistungen in Grundsteuer-Hebesatzpunkte könne, so Koob, für Transparenz sorgen - als nachvollziehbares »Preisschild«. Die Erhöhung von Steuer-Hebesätzen sei aber stets als »Ultima Ratio« zu sehen.

Bei freiwillig vorgehaltener Infrastruktur wie Sportplätzen und Bürgerhäusern sei wichtig, immer auch die Folgekosten, etwa für Unterhalt und Abschreibungen, zu berücksichtigen und auf den Kostendeckungsgrad zu achten. In Lollar sei das Defizit in diesen Bereichen recht hoch - was aber nicht bedeute, dass man etwa die Dorfgemeinschaftshäuser schließen müsse. Eine strukturelle Rahmenbedingung sei für Lollar die »sehr kleine Fläche bei hoher Einwohnerdichte«, dadurch müsse die Stadt relativ wenig dezentrale Infrastruktur wie Feuerwehrstützpunkte vorhalten.

Nicht zuletzt gelte es auch, Kostensatzungen regelmäßig zu aktualisieren - und die demografische Entwicklung im Blick zu behalten: Bis 2035 prognostiziere das Land Lollar eine »sehr leicht sinkende Einwohnerzahl«. Angesichts perspektivisch mehr älterer Einwohner gewinne etwa Barrierefreiheit an Bedeutung. Interessant war auch Koobs Blick auf den Mitarbeiterbestand der Verwaltung und dessen Altersstruktur: »Jede dritte Stelle im Rathaus müssen Sie in den kommenden zehn bis 15 Jahren neu besetzen.« Er empfahl, sich frühzeitig über Personalgewinnung Gedanken zu machen - und Chancen in einem Ausbau der Interkommunaler Zusammenarbeit zu sehen.

Unterm Strich präsentierte der Rechnungshof-Vertreter »einen Strauß an Möglichkeiten«. Die passenden auszuwählen, ist und bleibt Aufgabe der Kommunalpolitik.

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