Livestream: Laubach geht voran

Mehr Transparenz und Teilhabe der Bürger, mithin mehr Legitimation seiner Vertreter - darum geht es jenen, die Livestreams kommunaler Gremiensitzungen fordern. Der Kreis und Lich stehen in den Startlöchern, Vorreiter im Gießener Land aber ist Laubach: Die heutige Stadtverordnetensitzung wird erstmals als Audio-Livestream ins Wold Wide Web übertragen.
Doch was ist mit Datenschutz und Persönlichkeitsrechten?
Es ist wahrlich kein Schnellschuss, die Diskussion reicht bis ins Jahr 2021 zurück. Heute Abend also fällt der Startschuss, fortan besteht die Möglichkeit, die Debatten von Laubachs Stadtverordneten von zu Hause aus per Audio-Livestream zu verfolgen. Läuft alles glatt, werden sich vor allem Laubachs Liberale als Ideengeber freuen. Hatte es doch einiges an Überzeugungsarbeit bedurft.
Ausgangspunkt war im Juli 2021 ein entsprechender Antrag, den der neue FDP-Sprecher Florian Kempff begründete: »Politik braucht Öffentlichkeit. Nicht erst Corona, auch Familie und Beruf erschweren die Teilhabe an lokalen politischen Entscheidungsprozessen.« Als Beispiel verwies er auf die Mutter, die des Abends nicht an Sitzungen teilnehmen könne, selbst wenn es um Kitas gehe.
Mit Livestreaming senke die Stadt die Informationshürden und erhalte gleichsam »die Qualität kommunaler Entscheidungsprozesse«, führte der Jurist aus. Und unterfütterte seinen Antrag mit Argumenten aus einem Beitrag des Verwaltungsrechtlers Professor Oliver Junk: »Livestreaming von Ratssitzungen als Verfassungsgebot«.
Demnach sehe es der Gesetzgeber als ausreichend an, das Verfassungsgebot der Öffentlichkeit kommunaler Gremiensitzungen allein über die Saalöffentlichkeit herzustellen, zwinge damit Interessierte zur Präsenz. Allerdings habe sich das Informationsverhalten (vor allem) durch das Internet verändert.
Dem Werben Kempffs für Echtzeitübertragungen hatte sich anfangs vor allem die CDU widersetzt: Womöglich werde der eine oder andere der ehrenamtlichen Feierabendpolitiker vor so viel Öffentlichkeit zurückschrecken. Die Skepsis aber konnte IT-Experte Kempff durch mehr Information ausräumen. Dass jedem Stadtverordneten sozusagen ein »Vetorecht« eingeräumt wird, es ja »nur« um Audiostreaming geht und auf nachträglich abrufbare Aufzeichnungen (»on demand«) verzichtet wurde, dürfte da geholfen haben.
Im vergangenen Herbst beschloss und änderte denn auch Laubachs Stadtparlament nahezu einmütig notwendige Änderungen der Hauptsatzung und Geschäftsordnung (siehe Kasten). Dazu erhielt die Verwaltung auf CDU-Antrag zur Hausaufgabe zu berichten, wie viele Zuhörer sich jeweils über die städtische Homepage oder die Laubach-App eingeloggt haben.
Ausgeschlossen sind in Laubach also Videoübertragungen. Dies auch wegen des großen technischen wie personellen Aufwandes, wie Stadtverordnetenvorsteher Joachim M. Kühn erläutert. Angesichts von drei Mikrofonen - eines am Rednerpult für die Fraktionssprecher sowie zwei für den Bürgermeister und Stadtverordnetenvorsteher - bedürfte es drei Kameras samt Bedienern.
Beim Audiostreaming der Redebeiträge hingegen braucht es relativ wenig Technik: Der Ton wird vom Mischpult beziehungsweise der Verstärkeranlage des Rathaussaals abgenommen und via Mikrofoneingang eines Smartphones ins Netz übertragen. Letzteres ist in einem nur wenige Zentimeter großen »Übertragungskoffer« (kleines Foto) verbaut.
Dass Daten- und Persönlichkeitsschutz Rechnung getragen werde, man sich dafür juristischer Expertise bediente, unterstreicht Laubachs Stadtverordnetenvorsteher Kühn. Unter anderem rückversicherte man sich bei Kommunalrechtlern.. Was auch er hervorhebt, ist besagtes Vetorecht. Doch wie wird das umgesetzt? Bevor ein Redner ans Mikro tritt und Kühn Name und Fraktion nennt, zeigt der etwa durch Handaufheben sein Nein zur Übertragung an.
Damit, aber auch durch den Verzicht auf Bild-Übertragungen, habe man auf eventuelle Bedenken Rücksicht genommen, fährt Kühn fort. Schließlich sei es schon ein Unterschied, ob man sich im »familiären Kreis des Stadtparlaments« äußere oder vor einem großen Publikum, das den Redner live und im Bild beobachten könnte.
Dass er als Versammlungsleiter, sozusagen »Herr übers Mikro«, nicht bei jedem Zwischenruf gleich die Stopp-Taste drücken werde, machte der Versammlungsleiter auf Nachfrage deutlich. »Es geht hier doch nicht nur um mehr Transparenz und Klarheit, Sondern auch darum, den parlamentarischen Alltag abzubilden - und nicht nur dessen sachlich-schöne Seite.« FOTO: TB