Das ist der Mann, der beim Projekt Outlet-Center die Strippen zieht
Es ist das umstrittenste Bauvorhaben der Region: das geplante Outlet-Center in Pohlheim. Der Macher dahinter ist Jörg Fischer. Der 55-Jährige verantwortet auch noch ganz andere Projekte.
Lächelnd, im dunkelgrauen Sakko und in Sneakers, betritt Jörg Fischer den Raum. Der Small Talk zu Beginn des Gesprächs kann sich nur um ein Thema drehen: um Fußball und um seinen FC Gießen, immerhin steht er dem Klub, der auf Platz eins der Hessenliga überwintert, als Geschäftsführer vor.
Seit seiner Kindheit sei er Gladbach-Fan, erzählt er. »Auf dem Fußballplatz wollte ich immer wie der kleine dänische Stürmerstar Allan Simonsen sein.« Gleich darauf räumt Fischer ein, dass er einst in der ersten Mannschaft der Teutonia Watzenborn-Steinberg nicht etwa als Stürmer zum Einsatz kam, sondern als Linksverteidiger.
Knallharter Geschäftsmann mit Charme
Wer sich mit dem 55-Jährigen unterhält, entdeckt schnell eine Eigenschaft, die ihn auszeichnet: Charme. Schnell vergisst man, dass man einem durchaus auch knallharten Geschäftsmann und einem der wichtigsten Bauunternehmer der Region gegenübersitzt. Fischer beschäftigt 60 Mitarbeiter, seine Unternehmensgruppe rund um die in Linden ansässige Firma Gesellschaft für Handel und Immobilien (GHI) setzt jährlich rund 60 Millionen Euro um.
Fischer nippt an einem Espresso. »Ich spüre, dass ich als Person des öffentlichen Lebens wahrgenommen werde«, sagt er. »Wenn ich in Gießen unterwegs bin, werde ich oft angesprochen.« Seit knapp 30 Jahren ist er in der Baubranche tätig.
Zwei Themen haben ihn im vergangenen Jahr allerdings in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt: neben dem derzeit erfolgreichen FC Gießen ist es das geplante Factory-Outlet-Center in Pohlheim. Fischer plant – gemeinsam mit Frank Smajek – das 30 Hektar große Gewerbegebiet in Garbenteich, auf dem das Outlet entstehen soll. Ziel ist, das Areal voll erschlossen zu verkaufen.
Der Fischer-Faktor und beste Kontakte
Es ist auch nach dem Scheitern der Outlet-Gegner beim Pohlheimer Bürgerentscheid im August noch immer eher unwahrscheinlich, dass das Einkaufszentrum tatsächlich entstehen wird. Outlets sind laut Regionalplan nur in Oberzentren erlaubt – Pohlheim ist Unterzentrum.
Die Regionalversammlung müsste zustimmen, dort sitzen aber Gegner insbesondere aus Gießen, Wetzlar und Marburg. Ein Faktor aber lässt das Großprojekt zumindest nicht als utopisch erscheinen: der Fischer-Faktor.
Jörg Fischer, der seit Jahrzehnten überwiegend im Auftrag von Kommunen in der Region Bauvorhaben plant und umsetzt, verfügt über beste Kontakte. Man kann sich gut vorstellen, wie er im Gespräch mit Bürgermeistern und anderen Entscheidungsträgern zusammensitzt und für das Outlet-Projekt wirbt – in seiner ihm eigenen Art: mit gedämpfter Stimme und gleichzeitig in einnehmendem, eindringlichem Erzählton.
Man muss das geplante Outlet-Center als regionales Projekt betrachten
Jörg Fischer
Zum Thema des Outlet-Centers will er momentan nicht viel sagen. Es gelte, die Gutachten abzuwarten. Zwei Sätze allerdings machen deutlich, welche Strategie er verfolgt: »Man muss das geplante Outlet-Center als regionales Projekt betrachten«, sagt er. Und er appelliert: »Wir sollten versuchen, weniger in den Kategorien von Ober- und Unterzentren zu denken.«
Fischer ist als Macher und »Self-Made-Man« bekannt. Den langjährigen Lindener Bürgermeister Dr. Ulrich Lenz, der Vorhaben immer wieder auch gegen Widerstände durchgesetzt hat, bezeichnet er als Vorbild. Es ist kurios: Fischer leitet ein großes Ingenieurbüro, steht hinter einigen der größten Bauprojekte im Kreis – ist selbst aber kein Ingenieur.
Mit 26 Jahren in die Selbständigkeit
Nach einer Ausbildung zum Bauzeichner und zum Bautechniker wollte er 1989 auf die Fachhochschule, um Diplomingenieur zu werden. Doch er machte sich kurzerhand selbständig, gemeinsam mit Thomas Kolmer, dem Sohn seines Ausbilders. »Die Familie Kolmer hat mich gefragt. Und selbständig zu sein war mein Traum. Man ist kein Weisungsempfänger.« Das damals gegründete Büro Kolmer und Fischer gibt es heute noch – nur in wesentlich größerer Form, bedauerlicherweise ohne den vor zwei Jahren verstorbenen Kolmer.
Fischer stammt aus einfachen Verhältnissen. Er wuchs in Watzenborn in einer alten Hofreite in der Gießener Straße auf, wo seine Eltern noch heute leben. Die Mutter war Näherin, der Vater war im Vertrieb in der Schuhbranche tätig.
Als Jugendlicher sang Fischer im Gesangverein Eintracht 1869 Watzenborn-Steinberg. Während des Gesprächs blickt er kurz nach unten, erinnert sich lächelnd: »Ich stand auch mal mit den berühmten Sängern Anneliese Rothenberger und Rene Kollo auf der Bühne der Volkshalle in Watzenborn-Steinberg.« Vor allem aber spielte er Fußball bei den Teutonen – bis er sich mit 26 Jahren selbständig machte.
Große Aufträge seit 2000
Mitte der 90er Jahre fing Fischer an, sich als Bauunternehmer einen Namen zu machen, er investierte zunächst in Geschosswohnungsbau in Pohlheim. »Dann haben wir Ende der 90er auf betreutes Wohnen gesetzt, in Watzenborn, Staufenberg und Linden. Das war damals etwas neues.«
Ab 2000 kam es zu größeren Aufträgen. Er entwickelte ein Areal im Oberweg in Watzenborn mit 200 Bauplätzen, plante gleichzeitig die dortige Volksbank-Filiale und einen Supermarkt. Fischer gründete mit Partnern zudem eine Gesellschaft, um in den neuen Bundesländern zu investieren. »Immer mehr Firmen sind mitgewachsen«, sagt er. Was die GHI baut, vermarktet sie auch selbst, die Firma übernimmt zudem auch die Hausverwaltung.
Fischer entwickelte in Gießen auch das Pflegeheim an der Lahn – und gegenüber den Lahntower inklusive Schwimmbad auf dem Dach. »Wir kümmern uns aber auch um bezahlbaren Wohnraum.« In Büdingen habe sein Unternehmen kürzlich ein Kasernengebäude renoviert und 24 Wohnungen verkauft, »für 1600 Euro pro Quadratmeter.«
Überwiegend arbeitet Fischer im Auftrag der öffentlichen Hand. Ist er als Unternehmer vielleicht bisweilen zu nah an der Politik? »Nein«, widerspricht er. »Weil wir wissen, dass das zu Problemen führen kann. Wir sind Dienstleister für Kommunen.«
Morgendliches Familienritual
Fischer lebt mit seiner Familie in Lich. Jeden Morgen nach dem Frühstück fährt er seinen elf Jahre alten Sohn und die siebenjährige Tochter zur Schule. »Das ist unser Ritual. Wir erzählen uns auf der Fahrt, was uns beschäftigt.«
Dominik, der älteste Sohn aus erster Ehe, arbeitet in seiner Ingenieursfirma. »Das ist schon eine Intention, dass die Kinder mal im Unternehmen mitwirken«, sagt Fischer. Dass der Elfjährige in der D-Jugend des FC Gießen spielt, bezeichnet Fischer als »schön«. Und als »wichtig«.
Jeder Mensch hat den Wunsch, einen Fußabdruck zu hinterlassen
Jörg Fischer
Fischer stößt in seinem Unternehmen Projekte an, kümmert sich um Grunderwerbe, um Erschließungsplanung und den Vertrieb. Seine GmbH hat auch schon wirtschaftlich maue Zeiten erlebt. »Unser Vorteil ist, dass wir breit aufgestellt sind«, sagt Fischer. Zudem agiere er immer mit Partnern, das Risiko sei auf mehreren Schultern verteilt.
Auf die Frage, was ihn antreibt, erklärt er: »Die Liebe zur Region. Und jeder Mensch hat den Wunsch, einen Fußabdruck zu hinterlassen.« Wenn er älter sei, nicht mehr berufstätig und dann durch Mittelhessen reise, könne er dann möglicherweise sagen: »Das hast du gemacht.«
Info
Leidenschaft FC Gießen
Jörg Fischer ruft, schreit, schimpft, seine Augen sind weit aufgerissen: Auch so kann man den 55-Jährigen bisweilen erleben – an Wochenenden, wenn der FC Gießen spielt. Dann steht Fischer am Spielfeldrand, brüllt auf den Schiedsrichter ein, lässt sich auch schon mal zu Beleidigungen hinreißen – und zeigt so eine weitere Charaktereigenschaft: hohe Emotionalität. Vor einem Monat, nach dem Sieg gegen den klassenhöheren FSV Frankfurt im Hessenpokal, rannte er auf den Platz und umarmte jeden einzelnen Spieler seiner Mannschaft. Viel Geld steckt er in seine Leidenschaft, den FC Gießen. Als Sportmäzen sehe er sich aber nicht. »Der FC Gießen steht auf sicheren Füßen«, betont er, »auch wirtschaftlich«. Der Club werde von mehreren Partnern mitgetragen.