Lindens »Mr. Ehrenamt« wird 75 - Er war immer da, wenn er gebraucht wurde

AWO-Vorsitzender, Kirchenvorstandsvorsitzender, zudem der Herr der Theaterkarten - Karl-Heinz Scheidt engagiert sich in vielen Ehrenämtern für die Menschen in Großen-Linden.
Eigentlich kassierte er zunächst nur die Eintritte zu den Spielen des TSV Großen-Linden. »Dann wurde ich zum Rechner befördert«, erinnert sich Karl-Heinz Scheidt. 13 Jahre, bis 1992, sollte er dieses Amt ausführen. Ehrenamtliche Aufgaben sind bis heute wichtiger Bestandteil seines Lebens, von der AWO bis hin zum Theater. Vor wenigen Tagen konnte er nun in Großen-Linden seinen 75. Geburtstag feiern.
Dass Scheidt vom TSV für das Arbeiten mit Zahlen herangezogen wurde, hat einen Grund: Der gelernte Einzelhandelskaufmann arbeitete über 40 Jahre in der Lohnabrechnung für die Didier Werke in Mainzlar. An die Anfangszeiten konnte er sich noch gut erinnern. »Während der Abrechnungszeit ist Abwesenheit nur bei Tod entschuldigt«, erzählt er schmunzelnd. Damals musste noch alles per Hand ausgerechnet und gegengeprüft werden. Scheidt kümmerte sich in drei Tagen um die Abrechnung 570 gewerblicher Mitarbeiter. »Wir hatten später eine Rechenmaschine. Aber die durfte ich zuerst nicht benutzen, weil die so laut war.« Gestartet beim Rechnen mit dem spitzen Bleistift endete sein Berufsleben in Zeiten der digitalen Lohnabrechnung.
Mit den Worten »Sag mal ja« kam er zu seinem zweiten Ehrenamt. Eine Fußballkollegin wollte ihn dazu überreden, für den evangelischen Kirchenvorstand Großen-Linden zu kandidieren. Sie saß in der Wahlkommission. Seine erste Reaktion »Hast du sie noch alle?« wurde mit den Worten gekontert, dass sie noch nicht alle habe, da Kandidaten fehlen würden. Scheidt sagte darum Ja. »Ich war der Jüngste. Aber ich wurde gewählt, weil mich die Leute kannten.« Bereut hat er das »Ja« bis heute nicht. Im Gegenteil: 1998 nahm er das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden an, seit 2008 steht er an der Spitze des Gremiums, dem er nun 38 Jahre angehört.
Dadurch sitzt er auch in der Dekanatssynode des evangelischen Dekanats Gießen. »Da würde ich mir aber manchmal Namensschildchen wünschen, denn man sieht sich nur zweimal im Jahr«, sagt der 75-Jährige mit einen Augenzwinkern. Sein Humor ist eines seiner Markenzeichen und gleichzeitig immer wieder für die, die mit ihm zusammenarbeiten, motivierend und auflockernd. Aufgrund seiner Affinität zu Zahlen wurde er auch vor 13 Jahren in den evangelischen Regionalverwaltungsverband Gießen entsandt.
Lange Zeit war er zudem Mitglied des Kirchenchors. Als die Sängerzahl immer mehr zurückging und nicht immer genügend Stimmen für einen Auftritt zusammenkamen, löste sich die Gruppe auf. »Wir hatten immer montags Singstunden, das hat mir danach gefehlt«, sagt Scheidt. »Es war eine schöne Zeit.«
In Großen-Linden und darüber hinaus ist er vor allen Dingen wegen seines Engagements im AWO-Ortsverein bekannt. Zu dem Verein kam er durch Zufall: »Ich hatte mit der AWO nichts am Hut.« Da wurde er von Kurt Bernhardt angesprochen, ob er sich in dem Verein nicht als Beisitzer engagieren wolle. Man habe ein akutes Nachwuchsproblem. »Ich war Single, ich hatte die Zeit.« Zum Millennium wurde er zum zweiten Vorsitzenden gewählt, um nur drei Jahre später das Spitzenamt einzunehmen. Seit 20 Jahren ist er nun Vorsitzender. Bei den Berichten von den Sommerfesten, Faschingsfeten und Weihnachtsfeiern kommt er ins Schwärmen.
Es ist ein Amt, das ihm ans Herz gewachsen ist und für das er dieses Jahr erneut kandidieren möchte. »Die Menschen in Linden wissen auch, dass wir mit dem AWO-Skandal in Rhein-Main nichts zu tun haben.« Und zudem in Großen-Linden so auch gar nicht möglich: Ein Großteil der Mitgliedsbeiträge gehe direkt an den Dachverband, der Ortsverband selbst habe nur ein kleines Budget. Als Scheidt kürzlich aufgrund eines Reha-Aufenthalts in einer Wiesbadener Klinik weilte, ließ er dennoch lieber seine AWO-T-Shirts im Koffer. »Für die Menschen dort ist es verständlicherweise ein Rotes Tuch.«
Zudem kümmert sich Scheidt um die Versorgung heimischer Theaterfreunde mit Tickets für das Stadttheater Gießen. Eines ist ihm aber noch wichtiger als seine Ehrenämter: die Familie. Wenn er einen Anruf erhielt, ob er bei der Kinderbetreuung einspringen könne, habe er stets Ja gesagt: »Die Familie steht immer vor allem.«
Und sein nächstes Ziel? Nach schwerer Krankheit im vergangenen Jahr sei er kurz nicht sicher gewesen, ob das mit dem 75. Geburtstag klappt. Dieser Tiefpunkt ist aber mittlerweile überwunden: »Jetzt nehme ich die 80 ins Visier.« FOTO: PAD