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Zu nah an den Gleisen? Umstrittenes Bauprojekt bekommt Gegenwind

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Von: Stefan Schaal

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Hier, links der Bahngleise, sollen rund 120 Wohnungen entstehen. 25 Prozent sind als Sozialwohnungen vorgesehen. © Stefan Schaal

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert den vorläufigen Stopp der Planungen für 120 Wohnungen in Linden (Kreis Gießen). Die Investoren wehren sich.

Linden - Es ist ein rund 25 Millionen Euro teures Wohnbauprojekt, das wie kaum ein anderes Vorhaben im Kreis Gießen seit inzwischen drei Jahren Interesse und gleichsam hitzige Kontroversen entfacht.

Auf einem schmalen Streifen am Bahnhof in Großen-Linden sollen zwischen den Gleisen und der anliegenden Sudetenstraße in vier Mehrfamilienhäusern rund 120 Wohnungen entstehen. Innenverdichtung ist das Ziel. Wenige Tage vor der Entscheidung über das Projekt im Lindener Stadtparlament am Dienstag löst nun ein Vorstoß des Kreisverbands des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) Diskussionen aus. Als »Versuch der Verunsicherung« bezeichnet Architekt Felix Feldmann vonseiten der Investoren den Schritt des VCD.

Der Kreisverband, unterstützt von »Pro Bahn«, fordert einen vorläufigen Stopp der Planungen. Die Parlamentsentscheidung solle verschoben werden, sagt Patrik Jacob vom VCD, der auch Sprecher des Fahrgastbeirats ist.

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Der VCD bemängelt, dass an der Stelle ein möglicher zukünftiger viergleisiger Ausbau der stark befahrenen Main-Weser-Bahn nicht bedacht werde. Jacob weist auf den neuen, noch in der Entwurfsphase stehenden Regionalplan hin. Darin ist von einem Abstand von 15 Metern links und rechts der Gleise die Rede, um Platz für einen viergleisigen Ausbau zu garantieren. Den derzeitigen Planungen zufolge liegen die Mehrfamilienhäuser 12,50 Meter von den Gleisen entfernt. Im aktuell gültigen Regionalplan ist vorgeschrieben, für ein mögliches drittes oder viertes Bahngleis ausreichend Platz freizuhalten, ohne Nennung eines konkreten Abstands.

Der VCD bemängelt auch die Unterlagen, die dem Parlament in Linden u dem Projekt vorliegen. So fehlen, erklärt Jacob, beispielsweise in einer Skizze zu den Ausmaßen des Bauvorhabens die Bahnsteige. »Die Unterlagen reichen nicht aus, um eine Entscheidung zu fällen.« Ein Planer, der in Bahnfragen spezialisiert sei, solle das Vorhaben und die Lage an den Bahngleisen begutachten. »Wir stellen uns nicht gegen das Bauprojekt«, betont Jacob. Das Vorhaben drohe aber eine zukunftsweisende Verkehrspolitik zu verhindern. »Das Projekt muss auf einer Grundlage entschieden werden, die ehrlich und vernünftig ist.«

Auch wenn es noch dauere, bis der neue Regionalplan in Kraft tritt, sei dieser relevant, sagt Dietmar Jürgens vom Vorstand des VCD-Kreisverbands. »Wenn ich vorausschauende Politik unter dem Aspekt des Klimaschutzes und der Verkehrswende betreiben will, kann ich nicht so tun, als käme da nicht in allernächster Zukunft eine Änderung.«

Er erwarte zudem eine baldige Änderung des Bundesverkehrswegeplans, sagt Jürgens. Dann könne sehr schnell und kurzfristig eine Grundsatzentscheidung kommen, dass die Bahnstrecke ausgebaut werden muss. »Dann wird die Diskussion kommen und die Erkenntnis: Hier wird’s eng.«

Kreis Gießen: Bahn erhob keine Einwände gegen Bauprojekt in Linden

Einen möglichen viergleisigen Ausbau berücksichtige man sehr wohl, betont unterdessen Architekt Feldmann. Der Abstand der geplanten Mehrfamilienhäuser zu den Gleisen sei ausreichend. Die im Regionalplan genannten 15 Meter seien eher ein plangrafisches Thema. »Nach einer funktionalen Prüfung in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium wären ein drittes und ein viertes Bahngleis möglich.« Auch die Bahn habe in diesem Zusammenhang keine Einwände gegen das Bauprojekt geäußert. »Die Planung ist durch alle Instanzen gegangen.« Feldmann räumt ein, dass die Planung auf dem engen Raum durchaus anspruchsvoll sei. »Es ist ein Klimmzug«, erklärt er.

Der VCD kritisiert auch das Regierungspräsidium. Es habe die Unterlagen zu dem Bauprojekt nicht ausreichend geprüft. Das Regierungspräsidium hat indes kürzlich darauf hingewiesen, dass es aufgrund der Nähe des Bauprojekts zur Bahnstrecke keine Bedenken gebe, auch aus schallschutzrechtlichen Gründen.

Kreis Gießen: Geplante Wohnungen in Linden sorgen seit 2019 für Diskussionen

Seit der ersten Vorstellung der Pläne im August 2019 sorgt das Projekt für Diskussionen in Linden. Eine Bürgerinitiative hat sich gegründet, unter anderem hat sie erfolgreich für den Erhalt eines Grünstreifens gestritten.

Zweifel an einem ausreichenden Platz für vier Gleise infolge der Wohnbebauung habe man mehrfach geäußert, erklärt die SPD-Fraktionsvorsitzende Gudrun Lang. »Das kann nicht passen.« Der CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Altenheimer erklärt indes zum Vorstoß des VCD, ein viertes Gleis liege in sehr weiter Zukunft. Für ein mögliches drittes Gleis sei ohnehin ausreichend Platz. Der Zeitpunkt der Vorwürfe nur wenige Tage vor der Entscheidung nach drei Jahren an Debatten sei »unseriös«, sagt Althenheimer.

Für das Wohnbauprojektzeichnet sich derweil eine Mehrheit ab. CDU, Freie Wähler, FDP und die Linke und damit mindestens 21 der 37 Abgeordneten werden voraussichtlich für das Vorhaben votieren, die SPD dagegen. Zum Abstimmungsverhalten der Grünen wollte Axel Globuschütz am Freitag noch keine Prognose abgeben. Die AfD äußerte, erst am Montag eine Entscheidung zu treffen.

Globuschütz und der VCD berichteten, dass Christiane Schmahl vom Kreisvorstand der Grünen das RP um eine Stellungnahme gebeten hat. Die Antwort solle im Parlament als eine Diskussionsgrundlage dienen. (Stefan Schaal)

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