Hüttenberger Blackout-Experte Mattzick: »Licht ist das geringste Problem«

Ein Stromausfall ist in Deutschland eher eine Seltenheit, ein tagelanger Ausfall in den letzten Monaten aber wahrscheinlicher geworden.
Markus Mattzick ist Experte in Sachen Folgen eines Blackouts. Für sein 2021 veröffentlichtes Buch »Ohne Strom - Wo sind deine Grenzen?« recherchierte der Hüttenberger umfangreich, sprach unter anderem mit Experten aus den Bereichen Vorsorge, Rettungswesen und Katastrophenschutz. Die Handlung seiner Romanreihe - der dritte Band hat just das Licht der Welt erblickt - ist ebenso wie deren Schauplatz, das zwischen Hüttenberg und Wetzlar gelegene Dorf Umbach fiktiv. Die Basis bilden jedoch Untersuchungen und Prognosen von Experten, darunter einer Analyse, die bereits 2011 vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages veröffentlicht worden war.
Dass diese bereits elf Jahre alt ist zeigt: Das Thema Blackout ist nicht neu. Mattzick hat jedoch eine allgemeine »Katastrophendemenz« festgestellt: Dass etwa 2005 aufgrund extremen Schneefalls im Münsterland teils tagelang 250000 Menschen ohne Strom waren, ist heute fast vergessen. »Auch da, wo das Elbehochwasser überflutete, wird mittlerweile wieder gebaut.«
Der Autor wirbt dafür, mit dem Begriff »Blackout« sachlich umzugehen. »Nicht jeder Stromausfall ist ein Blackout. Ein Blackout ist ein landesweiter, gar länderübergreifender Stromausfall.« Dann könne man sich beispielsweise nicht darauf verlassen, das zeitnah Hilfe von außen eintrifft.
Auch kommt es auf die Zeitspanne an. »Ein oder zwei Stunden ohne Strom sind kein Problem.« Kritische Infrastruktur, wie etwa Krankenhäuser, verfügen für diese Zeit über Notstromaggregate.
Problematisch wird es aus Mattzicks Sicht hingegen, wenn über mehrere Tage der Strom ausfällt. »Dass das Licht weg ist, ist dabei das geringste Problem.« Denn kaskadenartig brechen praktisch alle Versorgungssysteme zusammen. Handy- und Telefonnetze sind ohne Strom lahmgelegt. Pumpen können nicht mehr die Hochbehälter mit Trinkwasser füllen. Die Abwassersysteme brechen zusammen, da Hebepumpen als auch die Technik in der Kläranlage nicht mehr funktionieren. Die Gemeinde Fernwald hat kürzlich die Zeitspanne, bis die Kläranlage umkippt, mit wenigen Stunden angegeben.
Auch die Rettungsketten sind betroffen. Menschen können per Telefon keinen Notruf absetzen. Die Sirenen und Meldeempfänger der Feuerwehren und Rettungsdienste funktionieren nur noch eine begrenzte Zeit ohne Strom weiter. Der Hausnotrufknopf ist tot.
Gerade im Winter wird das Thema Heizen zum Problem - denn die meisten Heizungsanlagen brauchen Strom, um zu funktionieren.
Ein weiterer Baustein ist das Thema Lebensmittelversorgung. Supermärkte öffnen nicht, da die Kassensysteme elektronisch sind. Zudem brechen die Lieferketten zusammen, da die meisten Hochregallager von Computern gesteuert werden. »Nur die wissen, was wo eingelagert wurde.« Außerdem blieben die Laster bald wegen Spritmangels auf der Strecke: »Es gibt deutschlandweit kaum Tankstellen mit Notstromaggregat.« Ohne Pumpe bleibt die Zapfpistole trocken.
Mattzick wirbt dennoch für Besonnenheit: »Das wichtigste ist, den Menschen keine Angst zu machen.« Zwar habe der Ukrainekrieg aus seiner Sicht das Risiko für einen Blackout erhöht. »Das österreichische Bundesheer schätzt die Wahrscheinlichkeit für einen Blackout in den nächsten Jahren auf 50 Prozent.« Jedoch bestand das Risiko durch technische Defekte, menschliches Versagen oder Naturereignisse - etwa einem Sonnensturm - schon immer.
Hinzugekommen sind in den letzten Jahren Spekulanten am Weltmarkt, die teils mehr Strom verkauften, als produziert wurde. Das Problem dabei: Wird deutlich weniger Strom produziert als verbraucht, bricht das Netz zusammen, erklärt Mattzick.
Nur rücke das Risiko nun mehr in die öffentliche Aufmerksamkeit. Da man das Problem und die Folgen kenne, könne man sich vorbereiten. Der Hüttenberger hat etwa sein Fachwissen Kommunen und Rettungsorganisationen zur Verfügung gestellt, die sich mit dem Thema intensiv beschäftigt haben. Dabei haben sich Schwachstellen herauskristallisiert. »In einer Flächenkommune ist es beispielsweise schwer, Nachrichten von Ort zu Ort zu transportieren.« Da müsse ein Melder auf die Reise geschickt werden.
Wichtig sei es, wenn bereits im Vorfeld die Menschen Anlaufpunkte für Notfälle kennen. Das können beispielsweise Feuerwehr- und Bürgerhäuser sein. Eine Kommune müsse sich dabei jedoch auch Gedanken machen, dass die Ehrenamtlichen auf Posten bleiben können: »Ihre Familien müssen versorgt sein. Wer hilft anderen, wenn er seiner eigenen Familie nicht helfen konnte?«
Zentraler Baustein ist die zentrale Vorsorge. »Die Menschen müssen sich von der Vollkaskomentalität verabschieden«, sagt Mattzick. »Keine Kommune kann in so einem Fall sofort alle Bürger versorgen.« Für Notfälle Vorräte für einige Tage Zuhause zu haben, sei generell nicht verkehrt. Dabei seien die Bürger auf dem Land - und gerade in Orten ohne Supermarkt - im Vorteil, da sie sich nicht auf eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung verlassen können. Mattzick empfiehlt zudem, die wichtigsten Dokumente und einen Satz Kleidung griffbereit in einer Tasche zu haben. Dies hilft nicht nur bei Katastrophen, sondern auch wenn es mal im eigenen Haus brennt.