»Wir machen unsere Hausaufgaben«

Seit 2020 sind in Lich 146 zusätzliche Kita-Plätze entstanden. Langfristig sollen 240 weitere dazukommen. Denn die bisherigen Anstrengungen seitens der Kommune, das Betreuungsangebot zu erhöhen, reichen nicht aus. 120 Kinder stehen auf einer Warteliste.
Mangelware Kita-Platz - so lautete am 22. September 2021 eine Schlagzeile in dieser Zeitung. Der Bericht nahm die Betreuungssituation in Lich in den Fokus. Im Ausschuss für Wirtschaft, Soziales, Digitalisierung, Tourismus, Sport und Kultur hatte Bürgermeister Dr. Julien Neubert gemeinsam mit der zuständigen Verwaltungsmitarbeiterin Bianka Heyer den Mandatsträgern die aktuelle Lage aufgezeigt. Damals standen 133 Kinder auf einer Warteliste. Gut 16 Monate später kam die Thematik in dem Gremium nun erneut aufs Tableau. Fazit: Trotz erheblicher Anstrengungen seitens der Kommune hat sich die Anzahl der wartenden Mädchen und Jungen nur wenig reduziert.
Anlass für den Tagesordnungspunkt war eine umfassende Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Auf zwei DIN-A4-Seiten hatte diese detailliert zur Betreuungssituation nachgehakt und drei Bereiche genauer in den Blick genommen: Warteliste und Platzvergabe, Personalsituation, Ausbau des Betreuungsangebotes. Im Fachausschuss am Montagabend nahmen Neubert und Heyer dazu Stellung.
Seit 2020 hat die Kommune 146 Betreuungsplätze geschaffen, arbeitet nach wie vor an der Erhöhung der Kapazitäten. Langfristig sollen weitere 240 Plätze entstehen (Neu-/Umbauten in Eberstadt, Muschenheim und Lich), kurzfristig in Form von Übergangslösungen rund 120 Plätze. Mithilfe von Containern in Langsdorf - die stehen seit Jahresbeginn zur Verfügung - und Eberstadt beziehungsweise der Anmietung eines Bürogebäudes in Lich (Thomaschewski-Haus), das im Sommer bezugsfertig sein soll. 120 Kinder stehen auf der Warteliste, 64 davon benötigen einen Krippenplatz, 56 sind drei Jahre und älter. 29 Mädchen und Jungen stammen aus geflüchteten Familien.
Was den Ausbau des Betreuungsangebotes angeht, hat sich die Stadt zu spät auf den Weg gemacht, in der Vergangenheit nicht zeitgleich mit der Ausweisung immer neuer Baugebiete auch die notwendige Infrastruktur für die zuziehenden Familien geschaffen. Das bekommen diese seit ein paar Jahren zu spüren. Aber auch die Zunahme an Flüchtlingskindern wirke sich auf die aktuelle Situation aus und dass Eltern ihren Nachwuchs immer früher anmeldeten, so Heyer. Um dem zu begegnen, hat man sich zuletzt mit der Einrichtung von Notgruppen beholfen und eine Wald-Kita eröffnet, 60 Betreuungsplätze für Kinder über drei Jahren wurden so geschaffen, für Unter-Dreijährige sechs Plätze durch Umstrukturierungen.
Weiteres Sorgenkind, wenn es um das Thema Kinderbetreuung geht, ist das Personal. Denn auf dem Markt sind kaum Erzieherinnen verfügbar. »Wir und andere Träger können davon ein Lied singen«, so der Verwaltungschef. Dennoch seien die in Lich ergriffenen Maßnahmen - beispielsweise seitens der Stadt finanzierte Fort- und Weiterbildungen, Sportangebote, Jobticket, Jobrad, jährliche Team-Supervisionen - mit einem »gewissen Erfolg« beschieden, sagte Neubert. »Wir haben aktuell kein Defizit bei den Fachkraftstunden.« Allerdings könne mangels Personal in der Asklepios-Kita eine Krippengruppe nach wie vor nicht belegt werden. Aber: Teils wurden in diesem Jahr bereits, teils werden noch Erzieherinnen eingestellt. Bis April sollen es vier Mitarbeiter/innen mit 152 Fachkraftstunden sein, sodass dort ab Sommer auch eine weitere Gruppe für die ganz Kleinen zur Verfügung steht.
Insbesondere die Maßnahmen zur Gewinnung pädagogischer Fachkräfte kam bei den Mandatsträgern positiv an. Dass die Stadt als Arbeitgeber gut dastehe, lobte Katharina Lorber (Grüne), sprach von »guten und deutlichen Signalen«. Allerdings seien 120 fehlende Betreuungsplätze zu viel, stünden ebenso vielen »leidenden Familien« gegenüber. »Was bieten wir denen an?«, wollte sie wissen. Der Verweis auf das Tagesmütter-Angebot in der Stadt reicht in ihren Augen nicht aus.
»Es ist der einzige Hinweis, den wir geben können. Alternativen haben wir nicht«, erklärte Neubert. Allerdings sei man »sehr gut aufgestellt«, verfüge in Lich über so viele Tagesmütter wie in keiner anderen Ostkreis-Kommune. Dazukomme, dass nicht alle 120 Kinder auf der Warteliste tatsächlich akuten Betreuungsbedarf hätten, so Heyer.
Hoch kochten die Emotionen, als Katharina Lorber und Katharina Winter (Grüne) am Ende noch einmal auf die geplante Kita im Thomaschewski-Haus zurück kamen, konkret auf die dortige Verkehrssituation. Lorber warf dem Bürgermeister vor, ein Gefahrenpotenzial zu ignorieren und mit der Schaffung zusätzlicher Parkplätze nicht im Sinne der Menschen zu handeln. Neubert reagierte verärgert. »Sie müssen mal vom Theorie- in den Praxismodus kommen«, entgegnete er. Es habe eine sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Thema gegeben. Nach Ortsbegehungen mit verschiedenen Fachleuten und mit Blick auf die Erfahrung an anderen Betreuungseinrichtungen habe man eine Entscheidung getroffen. Neubert: »Wir machen unsere Hausaufgaben.« Unterstützung bekam er von Klaus-Wilhelm Gottuck (FW), der die Grünen aufforderte sich nicht mit Problembeschreibungen aufzuhalten, sondern kreative Lösungsvorschläge zu machen.