Wenn die Konfi-Mappe leer bleibt

Ist Gott für Jugendliche überhaupt noch ein Thema? Pfarrer Lutz Neumeier beantwortet diese Frage mit einem Ja. Bloßer Frontalunterricht reiche aber nicht mehr: Neumeier setzt auf digitale Mittel.
Die Ansage von Lutz Neumeier erstaunt seine Schützlinge kaum. »Heute machen wir moderne Konfi-Arbeit«, kündigt er an. Was das heißt? Die Konfi-Mappen bleiben leer, stattdessen sollen die 35 Jugendlichen Erklärvideos drehen, aufgenommen mit dem eigenen Handy,
Neumeier ist Pfarrer der Evangelischen Marienstiftsgemeinde Lich. Der Einsatz von modernen - vornehmlich auch digitalen - Mitteln ist für ihn selbstverständlich, um die Jugendlichen zu erreichen. Denn das Thema Konfirmation befindet sich im Wandel. Die Ursache dafür ist nicht nur Corona. Natürlich hat die Pandemie ihren Teil dazu beigetragen. So wurden viele Konfirmationen verschoben, sogar Open-Air-Konfirmationen veranstaltet, berichtet Achim Plagentz, Studienleiter für Konfi-Arbeit im Religionspädagogischen Institut der Evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau.
Auch Neumeier sagt, er merke, »dass den Konfirmanden zwei Jahre Zusammenarbeit fehlen.« Die Jugendlichen wollten diese Zeit nun nachholen: »Das äußert sich in überbordender Lebendigkeit.«
Konfirmation nicht mehr selbstverständlich
Aber auch die Selbstverständlichkeit, mit der sich Jugendliche früher haben konfirmieren lassen, ist mittlerweile nicht mehr gegeben. Das bestätigen auch die Zahlen: 2019 wurden hessenweit ungefähr 16 000 Jugendliche konfirmiert, in den beiden Corona-Jahren insgesamt 14 000, berichtet Plagentz. Für 2022 gebe es noch keine offiziellen Zahlen, allerdings rechne er für das vergangene Jahr mit 13 000 Konfirmanden in ganz Hessen.
In Lich hat Neumeier diese Entwicklung noch nicht beobachtet. »Die Zahlen sind stabil, auch während Corona.« Das mag zum einen daran liegen, dass es noch gewissermaßen Tradition ist, sich konfirmieren zu lassen. Besonders im ländlichen Raum sei das noch eher der Fall als in der Stadt. Vor allem in den größeren Städten hören Plagentz und seine Kollegen bezüglich der Konfi-Zahlen »gelegentlich von größeren Einbrüchen«.
Kein Frontalunterricht und viele lebensnahe Themen
Zusätzlich spreche sich auch herum, dass der Konfi-Unterricht bei Neumeier gut ist. Wobei der Pfarrer das Wort »Unterricht« kaum noch nutzt, er spricht lieber von Konfi-Zeit oder Konfi-Stunden, denn die Zusammenkünfte solle nicht an Schule oder Unterricht erinnern. Wenn den Jugendlichen die Konfi-Zeit gefällt, ist das eine große Chance für den Pfarrer. »Diese müssen wir auch gut nutzen. Das bedeutet: kein Frontalunterricht und viele lebensnahe Themen«, sagt er.
Dafür sucht sich Neumeier häufig digitale Zugänge. 2013 hat er eine Ausbildung zum Medienpädagogen gemacht. Seitdem ist mit den Konfirmanden schon mal auf digitale Schnitzeljagd samt QR-Codes gegangen, hat eine eigene Zeitung gestaltet und eben Videos gedreht. »Der Umgang mit dem Handy macht den Jugendlichen Spaß. Ich will ihnen zeigen, dass sie nicht nur Konsument sein können, sondern auch Produzent.«
Klimaschutz und Erhaltung der Schöpfung
Bei den Erklärvideos in diesem Jahrgang geht es um das Thema Klimaschutz in Verbindung mit der Erhaltung der von Gott geschaffenen Schöpfung. Dafür haben die 13- und 14-Jährigen zahlreiche Ideen. Ganz im Sinne von Fridays for Future sprechen sie über weniger Autos, Recycling, Solaranlagen oder Secondhand. Das Thema ist ihnen wichtig, sie wissen, dass es so wie bisher auf der Welt nicht weitergehen kann.
Für ihre Erklärvideos haben die Jugendlichen in Kleingruppen Skripte erstellt, anschließend Bilder gemalt und ausgeschnitten. Mit ihren Handys nehmen sie das Video auf. Dafür liest einer den Text vor, die anderen setzen die Bildchen in der richtigen Reihenfolge in Szene und ziehen sie wieder hinaus. Die Mädchengruppe mit Sophia, Pauline, Louisa und Paula braucht mehrere Anläufe, bis es in einem Rutsch funktioniert. Dann sind sie aber stolz auf ihr Ergebnis. Ihr Video endet mit den Worten »Schätze die Erde, die Gott dir gegeben hat. Schütze und behüte sie mit all deiner Kraft.«
Jesus als ständige Begleitung im Leben
Neumeier ist es wichtig, dass er den Jugendlichen vermitteln kann, dass der Glaube Auswirkungen auf ihr Leben hat. »Jesus ist eine Begleitung im Leben. Wir möchten zeigen, was es bringt, an Gott zu glauben.« Was der Glaube an Gott bedeuten kann und woran es sich lohnt zu glauben, das sind für die Jugendlichen wichtige Fragen, die während der Konfi-Zeit bestenfalls beantwortet werden. Denn der Übergang vom Kindheitsglauben zum Jugendglauben ist prägend. Während des Konfi-Jahres haben sie die Möglichkeit, zu sehen, »ob sie etwas mit dem Glauben an Gott anfangen können und welche Relevanz das für ihr Leben hat«, sagt auch Plagentz. Und für die Kirche sei die Konfi-Zeit »eine Gelegenheit, sich selbst mit dieser kritischen Prüfung ihres Glaubens auszusetzen«.
INFO: Offenere Gestaltung
Viele Gemeinden gestalten ihre Konfi-Zeit mittlerweile offener. Das bestätigt Achim Plagentz, Studienleiter Konfi-Arbeit. Er spricht von »kreativem Arbeiten« und einer »stärkeren Orientierung an der Lebenswelt der Jugendlichen«. Hessenweit sind außerdem viele ehrenamtliche Jugendliche in die Konfi-Arbeit eingebunden.