Was taugen Blühflächen?

Immer mehr sieht man Blühflächen, die für Bienen, Käfer, Schmetterlinge und andere Insekten in der offenen Feldflur angelegt werden. Damit soll die Artenvielfalt erhalten bleiben. Doch wie nützlich sind sie? Bei einer Exkursion des NABU Horlofftal haben sich am Sonntag in Bettenhausen Naturschützer, Landwirte und Interessierte auf Spurensuche begeben.
Rund um Bettenhausen befinden sich auf elf Teilflächen mit insgesamt rund 3,84 Hektar die sogenannten Blühflächen. Landwirt Bernd Jochem, der seine gesamte Betriebsfläche ab 2023 auf zertifizierten ökologischen Landbau umstellen möchte, hat sie im April 2020 gesät und sie im Randbereich gepflegt. Doch die eigentlichen Blühflächen bleiben zwecks ungestörter Vegetationsentwicklung an sich unangetastet. Wie gestaltet sich das Leben dort und von welchen Bedingungen ist es abhängig? Werden die Flächen von Insekten genutzt? Wenn ja, welche findet man überhaupt dort?
Diese Fragen nach der ökologischen Wirksamkeit möchte der NABU Horlofftal in Zusammenarbeit mit der FLAGH (Faunistische Landes-Arbeitgemeinschaft Hessen) und mit Unterstützung des Landkreises beantworten. »Exemplarisch werden dafür drei Flächen mit allgemein wissenschaftlich anerkannten Erfassungsmethoden auf Insektenvorkommen untersucht mit standardisierten Fanggefäßen und Gelbschalen«, erläuterte Stephan Kannwischer vom NABU Horlofftal. »Alle elf Teilflächen der HALM-Maßnahme werden auf Vogelvorkommen untersucht. Vorkommen von Tierarten, die dem Jagdrecht unterstehen, werden ebenfalls dokumentiert«, sagte Kannwischer.
»Bei den Laufkäfern, die fliegen können, wurden insgesamt 174 verschiedene Arten festgestellt«, erläuterte Experte Andreas Schmidt aus Wetzlar, als die beteiligten Biologen die ersten Arbeitsergebnisse am Sonntag vor Ort vorstellten. »Darunter finden sich auch seltene Spezies und solche der Roten Listen.« Das ist ein Ergebnis, mit dem der Biologe so nicht gerechnet hatte. »Bei den Tag- und Nachtfaltern beziehungsweise Schmetterlingen hingegen konnte die Reproduktion dort bisher nicht nachgewiesen werden«, sagte Ernst Brockmann aus Ober-Bessingen. Wobei das vorhandene Blütenpotenzial der Untersuchungsflächen anziehend auf Falter wirkt. Die bisher festgestellte Artenzahl beträgt etwa 30 Arten, wobei sich der Malven-Dickkopffalter und der kleine Perlmuttfalter hervorheben.
Dr. Ulrich Frommers Spezialgebiet sind die Wildbienen und Stechimmen. »Es konnten 2021 insgesamt 55 Arten nachgewiesen werden«, erläuterte er. Davon haben auch einige einen gewissen Seltenheitswert. »Besonders interessant waren drei vor allem spinnenfressende Faltenwespen-Arten. Wenn diese vorkommen, ist auch auf ein entsprechendes Spinnenvorkommen zu schließen, welches genauer untersucht werden sollte.« Vogelarten konnten 13 nachgewiesen werden, von denen mindestens neun Arten einen direkten brutbiologischen Bezug zu den Flächen aufweisen. Für andere Arten sind die Flächen außerhalb der Brutzeit (Wintergäste) bedeutsam oder gehören zwar zum Revier, sind aber kein essenzieller brutbiologischer Bestandteil desselben.
Den Ameisen und Heuschrecken widmete sich Biologe Gerd Bauschmann (Friedberg-Dorheim). Auf der Fläche am Friedhof befinden sich neun der 111 in Deutschland vorkommenden Arten. Auf der Fläche, die von Ackerland umschlossen wird, kommt nur eine vor und das auch nur in geringem Aufkommen, auf einer anderen Fläche fünf Arten. »Hier spielt das Umfeld eine Rolle«, sagte Bauschmann. Bei der Fläche mit den vielen Arten gibt es Streuobstwiesen in der Nähe. »Und es braucht etwas Zeit, bis die Ameisen sich ansiedeln. Dafür braucht man eine dauerhafte Struktur.«
Kannwischer vom NABU Horlofftal betonte, dass eine gewisse Langfristigkeit der Blühflächen wichtig ist, damit sich ein Lebensraum entfalten kann. Das Ziel ist, die Wildbiodiversität zu fördern, und dass die Blühflächen eine Attraktivität haben und sich viele Arten hier ausgebreitet haben, ist schon mal ein guter Befund. Der NABU möchte auf Grundlage der interessanten ökologischen Ergebnisansammlung bei entsprechender Förderung das wissenschaftliche Untersuchungsprogramm über 2022 hinaus bis 2025 fortführen. Auch soll es Exkursionen mit Behördenvertretern, Vorträge für die Öffentlichkeit, Fachgespräche mit Vertretern aus Landwirtschaft, Jagdwesen und Jagdgenossenschaften sowie die Veröffentlichung eines wissenschaftlichen Zwischenberichtes zum Ende des zweiten Erfassungszeitraumes 2022 geben.