Vielfalt mit exotischer Note

Lich (jou). Auf begeisterte Resonanz stieß am Samstagabend ein Konzert mit dem Multikulturellen Orchester Gießen im ausverkauften Kulturzentrum Bezalel-Synagoge. Unter der souveränen Leitung des Violinisten Georgi Kalaidjiev bot das achtköpfige Ensemble im Rahmen der Kulturtage ein vielfältiges, in diverse Weltregionen führendes Programm.
Spenden für Projekt im Senegal
Das mit feinem Rhythmusgefühl dargebotene französische Stück »Les Cloches de Lille« bildete einen tänzerisch beschwingten Auftakt. Anschließend sang Violinistin Rova Yorulmaz, Jüngste im Orchester, mit klarer Stimme und innigem Ausdruck das jiddische, auf den Holocaust anspielende Lied »Dos Kelbl« und erntete für ihre leidenschaftliche Hingabe Bravorufe. Rhythmisch komplex wurde es beim griechischen Instrumentalstück »Samiotizza«. Solosängerin Mehtap Arslan sang ausdrucksintensiv das türkische Lied »Karaac«, in dem es um Heimat, Sehnsucht und Hoffnung geht, und wurde vom Orchester einfühlsam unterstützt.
Nicht minder ernst war die Instrumentalfassung des traditionellen slowenischen Lieds »Ne Silazi«. Dieses handelt davon, wie eine Frau jeden Abend darauf wartet, dass ihr Mann aus dem Krieg heimkehrt und erhielt, getragen von unbeugsamer Hoffnung, eine ganz aktuelle Dimension.
Angeregt durch Kalaidjievs erfolgreiches Projekt »Musik statt Straße«, das armen Kindern in der bulgarischen Stadt Sliven eine neue Lebensperspektive gibt, will der senegalesische Perkussionist Fallou Sy in seiner Heimat ein ähnliches Projekt starten, dem die Spenden zugute kommen. In dem Lied »Sama yon la«, einer Eigenkomposition, vermittelte Sy voller Überzeugung, dass Musik sein Weg zur Selbstentfaltung ist.
Auch die weiteren Stücke faszinierten: Voller Herzblut spielte Kalaidjiev die Solovioline in einem jiddischen Tango, während Sängerin Mehtap Arslan in dem türkischen Lied »Artik Sevmeyecegim« (Ich werde nicht mehr lieben) die Desillusioniertheit glaubhaft herüberbrachte. Vielen Besuchern vertraut gewesen sein wird Astor Piazzollas berühmter »Libertango«, das Multikulturelle Orchester spielte ihn aber eben nicht nur auf gewöhnlichen Instrumenten wie dem Akkordeon, vielmehr erhielt das Stück durch zwei westafrikanische Bechertrommeln eine exotische Note.
Dass Fallou Sy nicht nur ein vorzüglicher Perkussionist, vielmehr auch ein talentierter Sänger ist, bewies er erneut in »Ki khamul khulou« (Keine Streiterei) mit seiner melodiösen Stimme. In dem Friedenslied »Hevenu shalom alejchem« traf Rova Yorulmaz gemeinsam mit dem Orchester sehr schön die kraftvolle Steigerung.
»La Cumparasita« aus Uruguay verband Weltschmerz mit lebhaftem musikalischem Temperament, ein jiddischer Tanz animierte das Publikum gar zum Mitklatschen. Wieder in den Orient führte zu guter Letzt das türkische Lied »Babuba«, darin erzählt ein Mann seinem Vater von der Trennung seiner Geliebten. Das Publikum erklatschte sich zwei Zugaben, darunter ein virtuoses Solo, bei dem Sy auf der Bechertrommel glänzte. FOTO: JOU