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Unterhaltsame Mischung aus Lesung und Vortrag

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Oliver Meyer-Ellendt in der Stadtbibliothek. © Heiner Schultz

Lich (kdw). Neben der Musik kommt auch die Literatur nicht zu kurz bei den Kulturtagen, so wie Dienstag in der Stadtbibliothek. Dort las Schauspieler und Regisseur Oliver Meyer-Ellendt aus Goethes »Wilhelm Meisters theatralische Sendung«, einem Romanfragment des Großdichters. Seine klugen und witzigen Ausschnitte waren ebenso wissenswert wie hinreißend komisch.

Oliver Meyer-Ellendt war künstlerischer Leiter des Wetzlarer Kellertheaters, er ist Autor und Regisseur des »StattTheaters« Wetzlar und inszenierte Martin Gärtners Fassung von »Ödipus« von Bodo Wartke. Die Lesung ist seine Eigenproduktion.

Der Inhalt des von Goethe nicht beendeten Werks (verfasst 1777 bis 1785), das er später zu »Wilhelm Meisters Lehrjahre« verarbeitete: Der Kaufmannssohn Wilhelm Meister verlässt aus unglücklicher Liebe zu einer Schauspielerin sein Elternhaus. Er rettet das Zigeunermädchen Mignon und übernimmt die finanzielle Bürgschaft für eine Schauspielertruppe.

Feinsinnig bis boulevardesk

Meyer-Ellendt fügte das Material zu einer höchst unterhaltsamen Mischung aus Lesung und informativem Vortrag zusammen. So lernte man, dass bereits der junge Wilhelm Meister einen Hang zum Theater hatte, zunächst zum Puppentheater, dem er zu Hause ausgiebig frönte. Goethe erfand eine Story, in der eine wandernde Theatertruppe allerlei Abenteuer erlebt, Liebe und Abenteuer in dunkler Nacht selbstverständlich inbegriffen.

Sogleich fällt der klangvolle und intensive Tonfall auf, mit dem Meyer-Ellendt Goethes Text vorträgt, zuweilen geradezu lustvoll. Goethes Sprache ist zugleich hoch kunstvoll und immer wieder absolut witzig. Darüber hinaus erfährt man von Meisters wachsender Theaterobsession, hört boulevardeske Szenen von Liebe und Leidenschaft in Theaterkreisen (»Ein allgemeiner Schrei entfuhr dem weiblichen Geschlechte«).

Die schon etwas seifenoperig gewürzt sind, zugleich aber mit einer feinen sprachlichen Qualität aufwarten, die man bei allem altmodischen Duktus nur beglückt zur Kenntnis nehmen kann. Als Wilhelm mal für den Hauptdarsteller einspringen muss, heißt es ironisch: »Der Geist des Theaters kam über ihn.«

Meyer-Ellendt hat das Material so flott und pointenreich zusammengeschnitten, dass man aus dem Kichern gar nicht herauskommt. Das berühmte Räuberthema taucht hier erstmals auf, auch andere Motive sind in späteren Werken verarbeitet. Das mundet auch den heutigen Zuhörern, zumal Meyer-Ellendt sehr konzentriert und stimmungsvoll liest. Ein Kleinod, nicht weniger.

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