»Unser Boden ist eine Wundertüte«
Ein unscheinbares Stück Feld am nordwestlichen Rand von Muschenheim sorgte in den vergangenen sechs Jahren für reichlich Überraschung bei Archäologen. Sie hatten nach einer mittelalterlichen Siedlung gegraben, aber Nachweise gefunden, dass Menschen schon seit der Altsteinzeit an diesem Ort lebten. Auch einzigartige Münzen, Alltagsgegenstände und der Kadaver eines Pferdes aus dem 2. Jahrhundert schlummerten bisher unbemerkt im Boden.
Ein unscheinbares Stück Feld am nordwestlichen Rand von Muschenheim sorgte in den vergangenen sechs Jahren für reichlich Überraschung bei Archäologen. Sie hatten nach einer mittelalterlichen Siedlung gegraben, aber Nachweise gefunden, dass Menschen schon seit der Altsteinzeit an diesem Ort lebten. Auch einzigartige Münzen, Alltagsgegenstände und der Kadaver eines Pferdes aus dem 2. Jahrhundert schlummerten bisher unbemerkt im Boden.
Eine Ausstellung in der Sport- und Kulturhalle machte die Fundstücke der Bevölkerung zugänglich. »Die Qualität der Fundstelle ist hessenweit was ganz Fantastisches«, sagte Landesarchäologe Dr. Udo Recker.
Beeindruckende Funde
Vorgenommen hatte sich das Team um die Grabungsleiter Michael Gottwald und Christian Röder von 2014 bis 2018 eine Fläche von 20 mal 20 Metern, genannt »Auf dem Weiher«, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Berger Mühle und der ehemaligen Burg Arnsburg. 1991 wurde die Fundstelle entdeckt, doch bei der ersten Untersuchung 1993 hatten die Archäologen noch an den wichtigen Dingen vorbeigegraben. Gottwald wollte noch einmal nachgucken – und fand Erstaunliches. In seinem reichlich bebilderten Vortrag ließ er die Besucher an ersten Erkenntnissen teilhaben. So wird die Siedlung »iuxta villam Arnesburg« erstmals 1152 in einer Schriftquelle genannt, kurz vor ihrem Ende. Denn mit dem Umzug der Herren von Hagen und Arnsburg auf die Burg Münzenberg und dem Einzug der Zisterziensermönche in Kloster Arnsburg verließen die Einwohner die Siedlung.
Die Archäologen fanden auch Belege, dass sich durch viele Jahrhunderte hindurch immer wieder Menschen dort angesiedelt hatten. »Eine erste dauerhafte Besiedlung dürfte in die Zeit der Rössener Kultur im fünften Jahrtausend vor Christus fallen«, erläuterte Gottwald. Auf die Kelten (zweites Jahrhundert vor Christus) folgten keltisch-geprägte Germanen. Die Besiedlung lässt sich für die Zeit um Christi Geburt nachweisen, und 80/90 nach Christus. Die Römer nutzten das Gelände im zweiten Jahrhundert nach Christus, Germanen lebten zeitweise Seite an Seite mit römischen Legionären. Als sich die Römer zurückzogen, ließen sich Germanen in der Wetterau nieder. »Die Siedlung setzt sich fort bis mindestens ins sechste Jahrhundert«, berichtete der Grabungsleiter. Belege für das 7. Jahrhundert haben die Forscher bisher nicht gefunden. Ab Mitte des 8. Jahrhunderts lässt sich eine intensive Siedlungstätigkeit bis ins 12. Jahrhundert ausmachen.
Die Wissenschaftler haben beeindruckende Gegenstände gefunden, darunter Kupfermünzen mit Konstantin dem Großen, die in den 330er Jahren in Südfrankreich geprägt wurden. Ein weiterer Höhepunkt ist eine kleine Fibel mit der Ikone Christus Pantokrator aus dem 11. Jahrhundert, die vermutlich ein Adliger aus Italien mitgebracht hatte. Ein weiteres Fundstück ist eine Wolfsangel aus der Zeit um 750/60. Der Haken, mit dem man Wölfe fing, ist dem Grabungsleiter aus einer so frühen Zeit noch nicht untergekommen.
Pferd hatte Rheuma
Es wurde viel in der Siedlung produziert, vermutlich viel mehr als zum Eigenbedarf, vermuten die Archäologen. Die Menschen hätten zum Beispiel mit Eisen im großen Umfang hantiert. »Reitersporen aus dem 8. und 10. Jahrhundert sprechen dafür, dass die Bevölkerungsschicht sozial etwas höhergestellt war«, erläuterte Gottwald.
Und dann ist da noch das »Arnsburger Pferd«, das Mitte des 2. Jahrhunderts in einer Grube niedergelegt wurde. Johanna Kranzbühler untersuchte den Kadaver. Sie fand heraus, dass das etwa neun bis elf Jahre alte Tier eine rheumatische Erkrankung der Wirbelsäule hatte, die Besitzer es aber erst nach einem Beinbruch abdeckten und es unmittelbar vergruben, damit keine anderen Tiere den Kadaver verletzen. Das schließe auf eine emotionale Verbundenheit, sagte Kranzbühler.
Wie es mit der hochwertigen Archäologie, die Muschenheim zu bieten hat, weitergeht, ist noch ungewiss, denn auch die Finanzierung muss gegeben sein. Ein bisschen weitergraben kann Gottwald vermutlich schon, doch ob man irgendwann im großen Stil an die »Villa Arnesburg« herangeht, weiß noch keiner. »Machen Sie weiter«, forderte dagegen Ortsvorsteher Josef Benner. »Unser Boden ist eine Wundertüte: Man gräbt nach einer mittelalterlichen Siedlung und findet ein Pferd aus der Römerzeit.«