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Lippenstifte ziehen sich durch das Werk

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Von: Nastasja Akchour-Becker

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Roman Geyer zeigt seine Arbeiten in der Oberstadt 30 in einer Pop-up-Galerie. © Nastasja Akchour-Becker

Lich (nab). Zum dritten Mal gab es am Wochenende ein »Kunsthäppchen« während der 20. Licher Kulturtage, organisiert vom neu gegründeten Verein Kunst in Licher Scheunen. Nach den Ausstellungen von Cornelia Barthold und Malaika Mack präsentierte nun der in Lich lebende Künstler Roman Geyer seine Arbeiten in der Oberstadt 30 in einer Pop-up-Galerie.

Zur Eröffnung seiner Schau mit anachronistischen Upcycling-Motiven und neuen minimalistischen Arbeiten zum Zustand der Wirklichkeit am Freitag hielt eine Person eine Rede auf den Künstler, die ihn sehr gut kennt: seine Ehefrau Doro Quella.

Wunderbarer Beobacher

Sie berichtete zunächst aus seinem Leben. Geboren 1954 in Mainz, habe er die Schule mehr oder weniger gelangweilt durchgestanden. »Weil es ihn wenig interessiert hat, hat er viel aus dem Fenster gesehen und beobachtet und dabei das Wichtigste gelernt, was ein Künstler braucht«, machte sie deutlich. Als 14-Jähriger wurde Geyer Preisträger eines Schulwettbewerbes mit seinem Kunstwerk »Das Rote Sofa im Urwald« und stellte mit den anderen Preisträgern im Hessischen Landtag aus.

»In der 13. Klasse hat er die Schule geschmissen, ein Grund war auch, dass sein Vater einen Volljuristen aus ihm machen wollte«, fuhr Quella fort. »Am gleichen Tag ist er in eine Frauenkommune eingezogen und hat eine Lehre bei Neckermann in Frankfurt als Schaufenstergestalter begonnen«, berichtete die Ehefrau. »Auch dort konnte er wunderbar beobachten, was auf den Straßen und dem Bürgersteig los war.«

Nach der Lehre führte er ein dreijähriges Vagabundenleben im Ausland. »Er finanzierte diese Zeit damit, dass er auf dem Amsterdamer Flohmarkt säckeweise Secondhand-Klamotten kaufte und diese in London für sehr viel mehr Geld verkaufen konnte.«

Danach ging Geyer auf die Kunstschule in Frankfurt und hatte nach acht Semestern das Diplom in der Tasche, erläuterte seine Ehefrau. Er wurde von einer Werbeagentur als Grafikdesigner angeworben. In dieser Zeit machte er wenig Kunst, Quella hebt jedoch ein Werk mit dem Titel »Lipstick« hervor, das zwischen 1995 und 2000 entstanden ist. Denn die Lippenstifte ziehen sich nach wie vor durch seine Werke und erscheinen dort hin und wieder.

Roman Geyer lebte zudem acht Jahre in München und am Gardasee. Seit 2011 ist er wieder im hessischen Raum. Im Hofgut Kolnhausen in Lich begann eine neue Schaffensphase, von der sich nun auch die Ausstellungsbesucher überzeugen konnten. Unter anderem beschäftigte sich Geyer mit dem Thema »Head down generation« auf das er kam, als er in der U-Bahn saß und alle Menschen im Abteil nur auf ihr Handy geguckt hätten. »Aus diesem Schock sind viele Skulpturen und Bilder entstanden«, erklärte Quella. Momentan bewegt Geyer sich künstlerisch durch die »Daily Dada« und auch mit seinem Magazin lassen sich seine Arbeiten erschließen. »Roman ist ein Mensch, der die Menschen sein lässt. Selten bewertet er und noch seltener wertet er ab«, verriet Quella abschließend.

Die Werke, die die Ausstellung zeigt, sind alle erst entstanden, nachdem er nach Lich gezogen war, erläuterte der Künstler. »Lich ist ein süßes Nest«, betonte Geyer. Aber auch eine moderne Fachwerkstatt, die ihn und seine Arbeit mittrage. »Ohne Lich würde ich das alles nicht machen.«

Begleitet wurde die Ausstellung auch von einigen Portraits des Fotografen Michael Birlenbach.

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