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Licher Literaturpreis für Julia Wolf

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Von: Barbara Czernek

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Ein feierlicher Moment mit (v. l.) Stifter Günter Kämpf, Preisträgerin Julia Wolf und Laudator Christoph Schröder. © Barbara Czernek

Lich (bac). Das Kino Traum-stern bildete einmal mehr eine würdige Kulisse: Dort wurde am Sonntag zum ersten Mal der Licher Literaturpreis verliehen. Würdige Preisträgerin ist die Schriftstellerin Julia Wolf. Sie erhielt die mit 7000 Euro dotierte Auszeichnung für den Roman »Alte Mädchen«. Die Laudatio hielt der Autor und Literaturkritiker Christoph Schröder.

Der Verleger Günter Kempf, der gemeinsam mit seiner Frau Vilma den Anabas Verlag in Gießen gründete und ihn bis 2010 selbst leitete, hatte den Preis gestiftet. Er soll jährlich in Lich verliehen werden (die GAZ berichtete). Besonders sollen damit Autoren des deutschen Sprachraums bedacht werden, die einen besonderen Beitrag zeitgenössischer deutsch-sprachiger Literatur leisten. Sie wollten etwas Bleibendes für die Nachwelt hinterlassen und zugleich aufstrebende Literaten fördern. Dieser Grundgedanke führte zu dem Stiftungsfonds »Licher Literaturpreis« im Rahmen der Bürgerstiftung Mittelhessen.

In Zusammenarbeit mit dem Förderverein der Licher Stadtbibliothek entscheidet eine sechsköpfige Jury über die jeweiligen Preisträger.

Besonderes Gewicht legte der Stifter auf Experimentierfreude und sprachliche Qualität innerhalb der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur. Julia Wolf konnte all diese Kriterien mehr als erfüllen.

Virtuose Schreiberin

»Auch wenn es in dem Roman nicht um die Männer geht, heißt das nicht, dass der Mann uns nicht interessieren sollte - im Gegenteil«, mit diesen Worte weckte der Laudator Schröder das Interesse an der »Ausnahmeerscheinung«.

Es geht um Traumata der Kriegs- und Nachkriegsgeneration, die sich bis heute feststellen lassen. Das Buch »Alte Mädchen« sei ein komplexes Buch über die Verschraubungen, die Verstrebungen, die Wucherungen im Verhältnis mehrerer Generationen von Frauen und Männern: »Transgenerative Traumata - für die Julia Wolf eine sehr schlüssige Sprach- und Darstellungsform gefunden hat.« Wolf sei eine virtuose und auch ein erbarmungslose Bewusstseinsmitschreiberin. Sie habe ein Verfahren gefunden, um die Gleichzeitigkeit von Gegenwart und Vergangenheit im Emotionshaushalt von Menschen einzufangen und sichtbar zu machen. Obwohl die Geschichten nicht inhaltlich miteinander verbunden sind, sind die Protagonistinnen »Erfahrungsgeschwister«, wie der Laudator es treffend beschrieb.

Im Anschluss an die Verleihung las Wolf drei Passagen aus ihrem Werk vor. Ihr Dank galt dem Laudator - sie habe sich sehr verstanden gefühlt. Die Idee zu dem Werk sei ihr durch Gespräche mit ihrer Großmutter gekommen, die selbst im Krieg aus Ostpreußen flüchtete.

Wolf ist in Groß-Gerau geboren, lebt mittlerweile in Leipzig. Da ihre Familie in Frankfurt und Umgebung lebt, kommt sie öfters noch in die Gegend, der sie sich immer noch sehr verbunden fühlt. An dem Buch habe sie rund fünf Jahre gearbeitet. Wolf bedankte sich ausdrücklich bei ihrer Lektorin und ihrem Verlag, dass man ihr die Zeit dafür gegeben habe. Das Warten hat sich gelohnt. Für die passende Unterhaltung sorgten Helmut Fischer (Piano) und Nicole Badila (Kontrabass).

Julia Wolf: »Alte Mädchen«, ISBN 9 7836 2700 2985, 288 Seiten, Frankfurter Verlagsanstalt, 2022. 24 Euro. FOTO: BAC

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