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Kampf gegen Logistikzentrum in Lich nach drei Jahren aufgegeben

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Von: Ursula Sommerlad

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Der Online-Möbelhändler »Wayfair« hat das Logistikzentrum an der Langsdorfer Höhe vor bald zwei Jahren in Betrieb genommen. Doch die Klage gegen die Baugenehmigung lief weiter. © Ursula Sommerlad

In Lich klagt eine Anwohnerin seit Jahren gegen das neue Logistikzentrum. Den nächsten Schritt zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof geht sie nicht – er wäre zu teuer.

Lich - Fast drei Jahre lang hat eine Anwohnerin gegen das Licher Logistikzentrum geklagt. Trotz zweier abgewiesener Eilanträge hat sie ihre Ziele bis zur mündlichen Verhandlung weiterverfolgt. Am Ende musste der Richter doch nicht entscheiden. Die Frau zog ihre Klage in letzter Sekunde zurück.

Diese Frau vertritt ihre Meinung mit Vehemenz. Als im Sommer 2019 der Protest gegen das geplante Logistikzentrum an der »Langsdorfer Höhe« an Fahrt aufnahm, kämpfte sie in der ersten Reihe. Und sie blieb hartnäckig. Obwohl die Halle längst in Betrieb gegangen ist, hielt sie lange an ihrer Klage gegen die vom Landkreis erteilte Baugenehmigung fest. Bis zum Mittwoch. Da machte die Licherin, deren Haus 660 Meter Luftlinie von der Ausfahrt des Logistikzentrums entfernt ist, vor dem Verwaltungsgericht Gießen einen Rückzieher. »Es liegt am Geld«, sagte sie am Ende der eineinhalbstündigen mündlichen Verhandlung resigniert.

Zuvor hatte Richter Dr. Marvin Waldvogel die Frau darauf hingewiesen, dass er gedenke, die Klage mangels Antragsbefugnis zurückzuweisen. Genau so, wie es im April 2020 und im Mai 2021 bereits seine Kollegen im Rahmen zweier Eilentscheidungen getan hatten. Dazu merkte er an, dass er eine Berufung vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof für wenig aussichtsreich halte. »Ich bezweifle, dass die Richter am Hof das anders sehen werden«, sagte Waldvogel und hielt der Klägerin die Kosten vor Augen, mit denen sie bei einem Gang nach Kassel zu rechnen hätte.

Klagen gegen Logistikzentrum in Lich scheiterten bisher

Die Licherin, die von Rechtsanwalt Jürgen Schellenberg als Rechtsbeistand begleitet wurde, hatte ihre Klage gegen die Baugenehmigung vor allem mit dem Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) begründet. Weitere Argumente waren die Behinderung der Frischluftzufuhr, negative Auswirkungen auf die Tierwelt in den angrenzenden Natura-2000-Gebieten und die steigende Hochwassergefahr. Zudem sieht sich die Frau auf ihrem Grundstück Lärm- und Lichtemissionen ausgesetzt. Ihr Fazit zum Bau des Logistikzentrums: »Aus ökonomischer und ökologischer Sicht ein Desaster.«

Sie ist nicht die einzige, die sich mit juristischen Mitteln gegen das Bauprojekt gewehrt hat. Bereits im September 2020 war eine Anwohnerin aus dem Platanenring, die noch näher an der »Langsdorfer Höhe« wohnt, vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel gescheitert. Auch in diesem Fall lautete die Begründung: keine Antragsbefugnis.

Wenig Verhandlungsspielraum für gütliche Einigung

Richter Waldvogel hatte sich vor der mündlichen Verhandlung über die Situation in Lich informiert. Die Bebauung am östlichen Stadtrand, wo in nächster Nähe zu Gewerbe und Industrie zahlreiche Wohnhäuser genehmigt wurden, ist aus seine Sicht nicht glücklich. Doch die Entscheidung über den Bau einer großen Logistikhalle in dieser Umgebung sei von der Politik getroffen worden. Richtig oder falsch? Das sei keine Frage, die ein Gericht zu beantworten habe. »Darüber verhandeln wir hier nicht.«

Deshalb hatte Waldvogel den Konfliktparteien zu Beginn der mündlichen Verhandlung eine gütliche Einigung nahe gelegt. Die Klägerin beantwortete dieses Ansinnnen mit einem kategorischen »Nein«. Auch Sascha Loubal als Vertreter des Landkreises und Joachim Krumb, der Rechtsanwalt der beigeladenen Dietz Logistik 44 GmbH, der die Immobilie gehört, sahen wenig Verhandlungsspielraum. »Die Möglichkeiten einer gütlichen Einigung werden erfolglos ausgelotet«, gab der Richter zu Protokoll.

»Niemand will Logistikzentren, aber alle wollen Logistik«

Im Folgenden drehte sich die Verhandlung vor allem, um zwei Fragen: Wird die Klägerin durch die Lärm- und Lichtemissionen des Logistikzentrums in ihren eigenen materiellen Rechten verletzt? Und darf sie sich als Teil der »betroffenen Öffentlichkeit« auf das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz berufen und gegen das Fehlen der Umweltverträglichkeitsprüfung klagen?

Die Umweltprüfung im Rahmen des Bebauungsplans sei völlig unzureichend gewesen, unterstrich die Frau, die selbst keine Juristin ist. »Ich habe mir das angelesen«, sagte sie im Zuge ihrer wortreichen Argumentation.

Rechtsanwalt Krumb zeigte sich davon so gar nicht beeindruckt. »Ich weiß überhaupt nicht, wo ich anfangen soll, bei all dem Unsinn, den Sie hier erzählen. Sie können sich auf eine vermeintliche Verletzung des UVP-Gesetz als Privatklägerin nicht berufen.« Und auch zu den Beeinträchtigungen durch das Logistikzentrum hatte Krumb eine klare Haltung: »Natürlich sehen Sie die Lichtglocke. Aber Sie wohnen in einem Industriegebiet. Sie müssen mehr akzeptieren.« Ganz grundsätzlich hält er die Proteste gegen dieses wie auch viele andere Logistikzentren für einen typischen Fall von »not in my backyard«: »Niemand will Logistikzentren, aber alle wollen Logistik.« (us)

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