Kinder von Geflüchteten aus der Ukraine brauchen Betreuungsangebote

Vor allem Familien flüchten vor dem Krieg in der Ukraine. Im Kreis Gießen sucht man nach Möglichkeiten, die Kinder unterzubringen. Die Kitas sind aber ohnehin schon überlastet.
Gießen – Die Lage in den Kindergärten ist seit Jahren angespannt. Um die Kinder der vor dem Ukraine-Krieg geflüchteten Familien unterzubringen, fehlt es in fast allen Kreiskommunen an Platz. Die Bürgermeister hoffen auf Unterstützung von Land, Landkreis und Ehrenamtlichen.
Hunderttausende Menschen sind derzeit vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine auf der Flucht. Vor allen Dingen Familien und Frauen mit Kindern kommen nach Deutschland. Wie lange sie hier bleiben müssen, ist noch ungewiss.
Mit dieser Frage verbunden sind der Schulbesuch, aber auch die Kinderbetreuung. Denn kleine Kinder brauchen den Kontakt zu anderen Kindern, um soziale Fähigkeiten zu entwickeln. Jedoch war die Kita-Lage bereits vor dem Krieg angespannt.
Mehr Kinder im Kreis Gießen sorgen ohnehin für Kitaplatz-Mangel
Es ist eigentlich ein erfreuliches Problem: Seit Jahren werden in Hessen deutlich mehr Kinder geboren. Waren es 2009 noch 50 744, erblickten 2016 über 60 700 Kinder das Licht der Welt. Seitdem verharrt die Geburtenrate auf hohem Niveau. Auch im Landkreis Gießen gibt es mehr Kinder. Auf Spielplätzen ist wieder mehr los, und manches von den Bevölkerungsprognosen schon totgesagte Dorf hat nun doch eine Zukunft. Clevere Vereine basteln bereits an Programmen für die zukünftigen Mitglieder.
Der Babyboom sorgt dafür, dass die Nachfrage nach Kita-Plätzen im Landkreis Gießen enorm gestiegen ist. Nur in wenigen Kommunen gibt es freie Plätze, andernorts sind die Wartelisten rappelvoll (siehe Kasten). Besonders dramatisch ist die Lage im Südosten des Kreisgebiets. In Hungen wurden zum Jahreswechsel knapp 600 Kinder in den Kitas betreut, weitere 134 standen auf der Warteliste. In Lich warteten damals 133 Kinder auf einen Kita-Platz.
Geflüchtete aus der Ukraine im Kreis Gießen: Ehrenamtliche an Kinderbetreuung beteiligen
Die Lage hat sich seitdem nur wenig geändert. Um den Kindern der Geflüchteten einen Kita-Platz anzubieten, fehlen derzeit die Kapazitäten, sagt der Licher Bürgermeister Julien Neubert: »Die Warteliste ist ohnehin schon sehr lang und auch wir leiden unter dem allgemeinen Fachkräftemangel. Insofern können wir aktuell kein Angebot unterbreiten.« Der Langgönser Bürgermeister Marius Reusch sagte kürzlich in einer Ausschusssitzung, dass seine Kommune ebenfalls keine Kapazitäten in den Kitas habe.
In diesen beiden Kommunen, aber auch andernorts bleibt man deshalb nicht untätig. Neubert schildert, dass man die Unterbringung der Ukrainer in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz und »Asyl in Lich« koordiniere. Dabei »versuchen wir auch, alternative Betreuungsangebote zu erarbeiten. Die Betreuung müsste über Ehrenamtliche oder gegebenenfalls in Form von Elterntreffs durchgeführt werden«.
Dabei bräuchten die Kommunen aber Hilfe von oben, so der Licher Bürgermeister: »Ich würde mir wünschen, dass der Gesetzgeber - zumindest zeitweise - von Betreuungsstandards und Vorgaben abrückt, die für die Kommunen selbst in ›normalen Zeiten‹ kaum umsetzbar sind.« Bei der Kita-Aufsicht des Landkreises Gießen gehen derzeit zahlreiche Anfragen ein, »ob und unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen möglich sind, um in Form von Übergangslösungen zusätzlich Platz für ukrainische Kinder zu ermöglichen«, teilt die Pressestelle auf Nachfrage dieser Zeitung mit. Beantworten könne man diese nicht: »Hierzu erwarten wir noch Hinweise des Sozialministeriums.«
Kita-Personal im Kreis Gießen an der Grenze
Beim Landkreis dämpft man die Erwartungen: Das Kita-Personal sei seit zwei Jahren aufgrund der Pandemie stark be- und teils auch überlastet. Die Betreuungsqualität dürfe sich zum Schutz der Kinder, aber auch der Erzieherinnen nicht verschlechtern. Priorität müssten zudem die bereits bestehende Wartelisten bei der Vergabe von Betreuungsplätzen haben.
»Bei aller Notwendigkeit und herzlichen Bereitschaft, die geflüchteten Menschen zu unterstützen, müssen wir besonnen handeln«, sagt Pressesprecher Dirk Wingender. Um allein eingereiste Mütter zu unterstützen, könne es daher ein erster Schritt sein, niedrigschwellige Angebote wie Spielkreise, Spielnachmittage und Familientreffs zu ermöglichen. »Dazu stehen wir unter anderem in Kontakt mit den Koordinationen für Gemeinwesenarbeit der ZAUG, die Initiativen und Angebote vor Ort vernetzen.« (Patrick Dehnhardt)