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Höchst gefühlvoll

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Traten nicht zum ersten Mal gemeinsam auf: Meistergitarrist Tim Potzas, Singer-Songwriterin Tess Wiley und Topsängerin Miriam Adameit (v.l.). Das Publikum in der Bezalel-Synagoge war jedenfalls äußerst angetan vom Konzert. © Heiner Schultz

Lich (kdw). Die kargen Tage sind vorbei, nun kann endlich wieder jede Menge Musik gehört werden. Und die 20. Licher Kulturtage bieten dazu Gelegenheit im Überfluss. Das erste reguläre Konzert bestritt am Samstagabend die Gießener Singer-Songwriterin Tess Wiley. Die versierte texanische Musikerin hatte sich kompetente Verstärkung geholt, Meistergitarrist Tim Potzas und Topsängerin Miriam Adameit rundeten nicht nur das Bild ab, es klang auch hervorragend.

Das Publikum in der Bezalel-Synagoge war schließlich rundum begeistert.

Wiley ist in der Region bestens bekannt für ihre emotional wirksamen und teils sehr persönlich abgefassten Songs. Die Besetzung gab ihr die Möglichkeit, mit einem breiteren Gesangs- und Instrumentalsound zu arbeiten, und mit beiden Kollegen hat sie schon mehrfach musiziert. Das Repertoire bestand aus bewährten Titeln aus ihrem Songbook, einigen neuen, in der Entwicklung befindlichen Liedern und etwas Covermaterial, eine perfekte Mischung für ein Konzert.

»Ich bereite gerade ein neues Album vor«, verriet Wiley schließlich den Besuchern, »wir nehmen noch nicht auf, aber wir erarbeiten gerade die Lieder dafür.« Man darf also gespannt sein auf die zweite Hälfte des Jahres, dann ist ja schon bald Weihnachten.

Los ging es am Samstag mit »Little secrets«, einem flotten Song im mittleren Tempo. Bei »Rescue me« kam dann erstmals der doppelte Chorgesang zum Einsatz. Adameits Stimme erwies sich da als höchst passend, um Wiley zu unterstützen, klar und professionell ausgeführt war das ein Plus.

Potzas zeigte sehr unauffällig, wie es seine Art ist, seine Doppelbegabung, er sang noch eine hohe Chorstimme mit dazu, die das Ganze abrundete. Und er fügte höchst versiert und ebenso diszipliniert, fast sparsam, ergänzende Wendungen auf der elektrischen Gitarre ein und hebte das Ganze auf ein feines, zuweilen westcoastartiges Niveau. Zudem agierte er auch noch traumhaft sicher auf der Pedal-Steel-Gitarre und ließ Country-Elemente einfließen. Das passte besonders zu dem Titel »Till I get it right« von Tammy Wynette, der berühmten Countrysängerin (Evergreen: »Stand by your man«). Wiley sang das so herausragend schön und seelenvoll, dass der Saal spürbar begann mitzufühlen, ähnlich wie zuvor schon bei »Rise«, und irgendwie ist es ja auch eine schöne, etwas melancholische Geschichte: Sie muss sich eben so oft neu verlieben, bis es hinhaut.

Eine Übung in Dankbarkeit nannte sie ihr »Good what we’ve got«, das für die Wertschätzung des Erreichten plädiert. Wiley nahm der Sache jede Schwere, indem sie beim Refrain die Zuschauer zum Mitsingen aufforderte (»Ohh la-la«), und es klappte auch wieder. Viele Zuhörer waren ja nicht zum ersten Mal bei einem ihrer Konzerte und lagen musikalisch-emotional genau auf ihrer Wellenlänge, die Atmosphäre machte das ganz deutlich.

Tess Wiley war gut drauf an diesem Abend, mehr als einmal sah man ihr mädchenhaftes Lächeln aufblitzen, etwa bei »Nice and warm«. Aber auch eine nachdenkliche Stimmung war kein Problem, im Gegenteil: »Everything’s fine« sang sie höchst gefühlvoll und ohne jeden Schnörkel, das ging direkt ins Herz. Genau wie die Zugabe »Something sweet and real«, die sie gemeinsam mit Adameit ganz himmlisch sang. So konnte man beruhigt nach Hause fahren und summte noch ein bisschen was vor sich hin. »Good what we’ve got« ist so ein kleiner Ohrwurm.

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