Herausragendes Erlebnis

Lich (usw). Sensationell war am Samstag das Gastspiel des Ensembles »Halva« im Kulturzentrum Bezalel-Synagoge. Die sechs Musiker brachen mit mancher Tradition, als sie ein Repertoire origineller und teils unerhört klangschöner eigener Stücke musizierten. Das musikalische Niveau und die Spielfreude komplettierten das Konzert zu einem herausragenden Musikerlebnis. Nicolaas Cottenie (Geige, Belgien), Alina Bauer (Geige, Deutschland), Eline Duerinck (Cello, Belgien,), Antje Taubert (Klarinette, Deutschland), Robbe Kieckens (Perkussion, Belgien) und Ira Shiran (Akkordeon, Israel) sind auf einer 30-tägigen Tour durch Europa.
Von Anfang an geht es mit »Turns out it’s a sher« richtig ab, und frischer Wind bläst durchs Kulturzentrum. Die unverstärkten Instrumente klingen hier mit einer wunderbar natürlichen Klarheit, allein das sorgt schon für ein angenehmes Konzerterlebnis; keine Nuance geht verloren - und davon hat es viele an diesem Abend. Zwar bleibt man im Genre, natürlich, aber es ist auch alles ein bisschen anders. Neben der enormen Geschlossenheit, neben den perfekt gemachten klassischen Elementen des Klezmer hört man immer wieder frische, jazzige Töne und neue Einfälle. »Halva« kümmern sich nicht ums traditionelle hörmäßige Wohlbefinden, wie man etwa in »Frelex + looks like« hören kann. Bei »It’s more East« etwa herrscht vor allem ein schwingendes tänzerisches Geschehen, und Tauberts Klarinette jubelt freudig zum Ganzen.
Raffinierte Arrangements
»Desert moon« verkörpert eines der Kernelement der Band, die herausragende Synthese der ersten und der zweiten Geige. Cottenie und Bauer lassen ihre Stimmen zu einer grundlegenden Fläche von großer Schönheit zusammenwachsen, perkussiv ergänzt. Klarinette und Cello tragen die Melodie, dann übernimmt das Akkordeon, und man rauscht mit allen in ein fetziges Thema, wird wilder und kommt zu einem überragend prägnanten Abschluss. Ein Glanzlicht reinster Güte und größter Geschlossenheit, das Publikum ist hingerissen, und der Beifall dauert schon von Anfang an viel länger als üblich.
Alle Mitwirkenden agieren mit herausragender Konstruktivität und Sensibilität. Immer wieder werden die vertrauten Strukturen in Richtung Jazz oder ganz neu aufgebrochen, Rhythmuswechsel bringen Frischluft ins Geschehen. Besonders segensreich in dieser exzellenten Band bringt sich Robbe Kieckens mit seiner intuitiv sensiblen, hoch musikalischen Perkussion ein, die das Spektrum wohlbalanciert abrundet. So wird aus dem Klezmer etwas ganz anderes, oft viel langsamer und wunderschön. Einige Wechsel zum Trio lockern das Geschehen zusätzlich auf.
Die Vielfalt der kompositorischen Details ist auffallend. Es herrscht eine beglückende formale und klangliche Vielfalt, und musiziert wird ohne jede handwerkliche Einschränkung, das gab es sehr lange nicht, wenn überhaupt. Immer wieder werden die Grenzen von Klang und Genre ausgelotet, was in den raffinierten Arrangements unerhört harmonisch stattfindet: ein ganz neues Klezmer-Erlebnis, nicht weniger. Bandleader und Komponist Cottenie renoviert gerade den Klezmer, wofür er eine herausragende Mannschaft fand. Sein mutiges Projekt beeindruckt durch seine Entschlossenheit und die übersprudelnden Einfälle. Dafür erhalten »Halva« anhaltenden, heftigen Beifall.