Führender Orgelteile-Hersteller Deutschlands sitzt in Lich

Mit Julian (32) und Tristan Heuss (29) hat beim führenden Orgelteile-Hersteller Deutschlands die vierte Generation das Zepter übernommen. Die Licher Brüder haben hohe Ziele.
Als Otto Heuss am 15. Februar 1953 in seinen besten Anzug schlüpfte, nach Gießen fuhr und bei der Kreishandwerkerschaft einen Betrieb anmeldete war er 63 Jahre alt. Sein Plan: Orgelspieltische herstellen. Die werden 70 Jahre später in dem von ihm gegründeten Familienunternehmen immer noch gebaut. Die Geschäftsführer und Inhaber der Firma allerdings sind halb so alt wie ihr Urgroßvater damals: Julian (32) und Tristan (29) Heuss haben zum Jahreswechsel das Zepter von ihrem Vater Stefan Heuss übernommen.
Als Zulieferer für den Orgelbau hat sich die Otto Heuss GmbH in der Branche einen Namen gemacht, ist heute das führende Unternehmen in Deutschland. Den Jahresumsatz beziffert Stefan Heuss, der seinen Söhnen nach wie vor beratend zur Seite steht, auf rund 3,5 Millionen Euro, die aktiven Kunden auf 200. Für Letztere ebenso wie für die rund 40 Mitarbeiter in der Licher Amtsgerichtsstraße bedeutet die Übergabe der Geschäftsführung laut Stefan Heuss vor allem eines: Sicherheit. Aus Sicht der Kunden mit Blick auf Gewährleistungsansprüche und den Fortbestand ihrer Instrumente. Immerhin halten diese 100 Jahre und länger. »Wir reparieren heute noch Orgeln aus dem Mittelalter«, sagt Julian Heuss. Aber eben auch Sicherheit für das Personal und seine Arbeitsplätze.
Ziel des neuen Führungsduos ist es, »die Sachen, die wir jetzt produzieren, weiter zu entwickeln«, sagt Tristan Heuss. Dass die beiden das können, haben sie in der Vergangenheit schon erfolgreich bewiesen. Beispielsweise mit einer Touchscreen-Steuerung, über die sich an der Pfeifenorgel quasi »alles« regeln ließ und für die es 2015 nicht nur eine Finanzspritze vom Land Hessen gab, sondern auch den bayrischen Staatspreis.
Acht Jahre später ist das System längst Schnee von vorgestern, die speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) hat ihm den Rang abgelaufen. Die Schnelllebigkeit der heutigen Zeit macht auch vor einer so traditionellen Branche wie dem Orgelbau nicht Halt. Während Stefan Heuss seine Kunden früher von der in Lich produzierten Elektronik überzeugen musste, ist sie heute ein Selbstläufer, sagt er. Mittlerweile forderten die Kunden selbst neue Entwicklungen ein. Da heißt es dran bleiben.
Um seinen Söhnen dabei nicht im Weg zu stehen, hat Stefan Heuss den Chefsessel geräumt. Denn wenn »die Alten noch da sitzen, leidet die Kreativität der Jungen«, ist er sich sicher Und: »Bei den Spezialkomponenten sind sie ohnehin besser als ich.« Ganz leicht fiel ihm der Schritt dennoch nicht. »Orgelbau war für mich immer Berufung«, gibt der 59-Jährige zu.
Dass Julian und Tristan Heuss die Firma einmal übernehmen würden stand für die beiden Brüder eigentlich immer fest. Sie sind im Betrieb groß geworden, waren als Kinder schon bei Kundenbesuchen, Geschäftsessen oder auf Messen dabei. »Es stand nie etwas anderes zur Debatte«, sagt Julian Heuss. Er und sein Bruder haben beide in anderen Firmen eine Orgelbau-Lehre gemacht und die Fachschule in Ludwigsburg besucht. Anschließend stiegen sie in den Familienbetrieb ein und begannen, die eigenen Produkte kennenzulernen, die Spezialkomponenten für den Orgelbau. Das sind mehr als 8000 Produkte - Spieltische mit mechanischer oder elektronischer Betätigung, Klaviaturen, Mechanikteile, Magnete, Steuerungstechnik, Bedienelemente und vieles mehr.
Etwa die Hälfte der Orgelteile made in Lich wird im Inland abgesetzt, der Rest in Europa, Asien, Amerika, Afrika, Neuseeland und Australien. »Wir sind sehr international aufgestellt«, sagt Julian Heuss, der die Firma nach außen vertritt und für den Bereich Elektronik/Entwicklung verantwortlich zeichnet. Sein Bruder Tristan leitet die Produktion und repräsentiert den Betrieb nach innen. Das operative Geschäft ist für die beiden Licher nicht neu, bereits seit drei Jahren sind sie dafür verantwortlich, arbeiten Kundenaufträge ab, schreiben Angebote, stellen Mitarbeiter ein.
Und wie schauen sie angesichts anhaltendem Krisenmodus in Deutschland in die Zukunft? »Positiv«, sagt Julian Heuss. »Wir sind sehr gut aufgestellt. Mit unserer Technologie und unserem Personal. Es ist die richtige Mischung aus erfahrenen und jungen Leuten.«