Engagierte Darbietungen für Frieden

Lich (jou). Ein tief bewegendes Konzert für den Frieden bot die Marienstiftskantorei gemeinsam mit dem Instrumentalensemble »Concertare Nuovo« und Solisten am Sonntag in der Marienstiftskirche. Unter der Leitung des Kantors Christof Becker verbanden die Musiker Franz Schuberts Messe G-Dur mit Michael Töpels »Friedenskantate«.
In seinem Grußwort erinnerte Bürgermeister Dr. Julien Neubert daran, »dass wir in einer Zeit leben, in der wir von Gewissheiten und Sicherheiten Abschied nehmen müssen«. Neubert machte Mut, »dem Kanon an Werten, wie eine gute Welt aussehen kann und soll, treu zu bleiben«. Zu den »großen Linien« zählte für ihn auch der Frieden für freie persönliche Entfaltung und eine gerechte Ordnung.
Kantor Christof Becker erläuterte vorab Hörbeispiele, dies erleichterte den Zugang zur Musik. Das Konzert bot eine Synthese aus Vertrautem und Neuem, so wurden die Schubert-Messe und die 2013 entstandene »Friedenskantate« des Lübecker Komponisten Michael Töpel (geb. 1958) ineinander verzahnt. Traditionelle Liturgie stand so neben zeitgenössischen Texten.
Zur Einstimmung stellte die Kantorei Heinrich Schütz’ Motette »Verleih uns Frieden gnädiglich« voran. Nach dieser in klare und reine Sphären führenden frühbarocken Musik kamen die schroffen Züge in der Orchestereinleitung der Kantate umso stärker zur Geltung. In Kontrast dazu standen klanglich fahle Passagen, welche die Fragilität des Friedens zu vergegenwärtigen schienen.
Wagemutige
Verzahnung
Im Ganzen sprach die Kantate sinnlich wie intellektuell unmittelbar an. Töpel glückte die Gratwanderung zwischen leicht zugänglichen und kühn-modernen Ausdruckselementen. Die Verzahnung mit Schubert wirkte wagemutig und zeigte, dass anregende Konzertprogramme durchaus öfter ausgetretene Pfade verlassen dürfen. Da kam es zu die Wahrnehmung schärfenden Brüchen, etwa nach Schuberts heilem »Kyrie eleison« durch das markante Chorrezitativ mit Pauken »Glaubet nicht einem jeden Geist«, das einer eindringlichen Warnung vor falschen Propheten gleichkam. Sensibilisiert durch die avancierte Tonsprache Töpels hörte man wiederum das »Benedictus« mit spitzen Ohren.
Mit Nachdruck sang Bariton Tomi Wendt die Mahnung vor der Verführung des Volkes durch Lügner nach Gottfried Keller in »Die öffentlichen Verleumder«. Auch die Kantorei und das Orchester widmeten sich beiden Kompositionen mit der gleichen Leidenschaft. Mitunter kam bei Töpel der Instrumentation Symbolcharakter zu, so im Duett für Solo-Sopran und -Bariton »Beruf: Glocken- und Kanonengießer« den militärische Assoziationen weckenden Pauken. Insgesamt erwiesen sich die erfahrenen Solisten Martina Nawrath und Tomi Wendt den hohen gesanglichen Anforderungen souverän gewachsen.
Die politische Aktualität der »Friedenskantate« unterstrich das Versöhnungsgebet aus Coventry, das seit 1959 jeden Freitagmittag in der Ruine der alten Kathedrale von Coventry und vielen anderen Orten verrichtet wird. Das Werk endete zuversichtlich mit einem symbolhaften Einklang.
Für die engagierten Darbietungen erhielten die Musiker viel Beifall.