»Eine fantastische Künstlerin«

Lich (jou). Lobenswert scheint, dass es Projekte wie die »Hessen Film Tour« gibt, die unabhängige Filmschaffende fördern und ihnen die Möglichkeit geben, ihren Film vor Publikum zu präsentieren. Im Rahmen dieses Projekts des Film- und Kinobüros Hessen stellte Regisseur, Kameramann und Koproduzent Simon Rauh am Sonntag im Kino Traum-stern seine Dokumentation »A Dancing Nomad« vor.
Darin porträtiert Rauh die aus Kuba stammende Tänzerin und Choreografin Maura Morales.
Tanz und Musik werden zur Einheit
Für die Dokumentation begleitete Rauh Morales über viele Jahre; durch die Pandemie erscheint der bereits 2017 fertiggestellte Film zeitversetzt. Morales war unter anderem am Staatstheater Darmstadt engagiert, gründete dann ein Tanzkollektiv; Rauh wollte den Übergang in die Selbstständigkeit beleuchten. Dabei habe er, wie er gegenüber dem Publikum betonte, festgestellt, dass sie und ihr Partner, der Komponist Michio Woigardt, künstlerisch gut zusammen funktionieren. So bilden Tanz und Musik in ihren Choreografien eine enge Einheit: Mal beschränkt sich Woigardt auf einen dezenten Klang- und Geräuschteppich, dann liefert er eine chansonhafte oder rockige Untermalung. Ursprünglich sei Woigardt, so Rauh, Gitarrist, ehe er in die Komponistenrolle reinrutschte und für diverse Theater Auftragsarbeiten übernahm. Dabei sei er von Flamenco weggekommen, experimentiere heute eher mit elektronischer Musik und Effekten.
Der Dokumentation anzumerken ist die Bewunderung für »eine fantastische Künstlerin und interessante Frau«.
Rauh nähert sich einfühlsam ihrer empfindsamen Seite, wenn er sie mit ihrem Partner, ihrer Familie oder mit ihrem Tanzkollektiv zeigt. Dabei wird deutlich, dass sie die klassische Richtung zu sehr einschränkte und sie sich deshalb dem modernen Tanz zuwandte. Sie toure, berichtete Rauh, weiterhin viel mit ihrer Truppe durch die Welt, sei nur etwas überlastet. Diesem Aspekt nähert er sich auch in der Dokumentation und vergegenwärtigt, dass eine Knieverletzung das Ende ihrer Karriere bedeuten könnte.
Rauh verwendet Material aus 2004 und den Folgejahren. Den Film habe er zum größten Teil privat finanzieren müssen, dies erschwerte die Produktion, berichtete er in Lich. So sei er froh, dass das Projekt überhaupt fertig wurde.
Angesprochen auf Inspirationsquellen der Tänzerin, bestätigte der Regisseur Einflüsse durch Pina Bausch. Morales thematisiert in ihren Choreografien eine weite Bandbreite an Emotionen bis hin zu seelischer Zerrissenheit. So steht in einem Stück eine einsame Frau im Mittelpunkt, in deren Leben alles zur Routine geworden ist - bis sie sich am Ende umbringt.
Kinobetreiber Edgar Langer lenkte das Gespräch auf einen Aspekt, der durch die Pandemie verloren zu gehen droht: Morales ist der Körperkontakt wichtig, auch mit ihren Tänzern. Für Rauh geht es ihr darum, durch Berührungen vor Aufführungen positive Energie in die Truppe zu bringen. Auffällig ist der Aspekt des Körperlichen auch bei ihren Choreografien; die Interaktion zwischen Tanzpartnern mutet mitunter fast intim an.
Morales komme heute, wie Rauh berichtete, einmal jährlich nach Kuba zurück, vor allem um ihre Mutter zu sehen. Als Exilkubanerin werde sie in ihrer Heimat gegängelt und finanziell ausgenommen - für eine freiheitsliebende Künstlerin gewiss nicht leicht zu ertragen. FOTO: JOU