Eindringliche Botschaft

Lich (jou). Ein recht ungewöhnliches Konzert bot das Ensemble Hard Boiled Wonderland am Donnerstag im Kino Traumstern. Die jungen Jazzmusiker aus Köln um den Kontrabassisten und Initiator Sebastian Gramss stellten ihr Projekt »Music Resistance« vor. Darin beleuchten sie aktuelle Themen wie Fake News, Rassismus und Krieg.
Schon das Eröffnungsstück, eine raffinierte Collage, steckte voller Anspielungen auf die Welt der unbegrenzten Möglichkeiten, die gegen die Wand gefahren zu werden droht. Im folgenden Song »Cricket«, in dem neben Sprecher Maximilian Hilbrandt die australische Gastsängerin Helen Svoboda hervortrat, ging es um gravierende Folgen des Klimawandels für Mensch und Natur.
In »Fortschritt« thematisierte das elfköpfige Ensemble die Erfindung des Kunststoffs und die Kehrseite, dass dieser sich nicht zersetzt und im Meer landet, wodurch Tiere sterben.
Immer wieder nahmen die Künstler Bezug auf gesellschaftlich relevante Themen. So hinterfragten sie in »Was kann schon passieren?« die sorglose Haltung vieler Menschen - im Widerspruch zur realen Bedrohung. Zuweilen beleuchtete das Ensemble auch bizarre gesellschaftliche Phänomene, so im »Klimablog« vom Klimawandel ablenkende Internetkommentare, die bis hin zu narzisstischer Besserwisserei reichen. Das Stück mündete in einem virtuosen Solo, bei dem Posaunist Matthias Muche glänzte. Bereichert durch Naturgeräusche wie Vogelgezwitscher, konfrontierte »Homo Suicidus« mit einer Welt, in der sich die Menschheit selbst ausgelöscht hat, während »Moderne Helden« vor Augen führte, wie heikel es sein kann, seine politische Meinung kundzutun.
Maximilian Hilbrandt wurde durch die Sängerinnen Tamara Lukasheva und Marina Frenk ergänzt. Das Trio wechselte häufig zwischen gesprochenen und gesungen Passagen; textlose Vokalisen vermittelten etwa in »Seawatch« die Sprachlosigkeit im Angesicht der düsteren Realität.
Im Ganzen muteten die Kompositionen recht abwechslungsreich an. Mit der Rhythmusbetontheit und klanglichen Wucht vergegenwärtigte »Was hatte der denn nachts noch auf der Straße zu suchen?« rohe Gewalt und Unterdrückung in Entwicklungsländern wie Sri Lanka, der Heimat des Gastschlagzeugers Sumudi Suaweera.
Überschaubares Publikum
Die ausdrucksstarken Künstler verliehen der politischen Botschaft des Programms gehörig Nachdruck. Komplex wurde es in Passagen, in denen die Sprecher simultan agierten; dies gab etwa den schockierenden Schicksalen von Flüchtlingen wie Kriegsopfern in der Ukraine besondere Eindringlichkeit.
Bei der Achtlosigkeit der Menschheit scheint es nicht mehr weit, bis das Herz der Natur, der Regenwald, komplett für Weideflächen gerodet wurde, wie ein rhythmisch vertrackter Song verdeutlichte. Hard Boiled Wonderland bediente sich mitunter unkonventioneller Spieltechniken, erzeugte auf den Kontrabässen fahle Klänge sowie Glissandi oder auf der Posaune Luftgeräusche und erweiterte damit souverän das Ausdrucksspektrum.
Das Ensemble suchte bei der anschließenden Diskussion den intensiven Austausch mit dem leider nicht sehr zahlreichen Publikum. Während einen Besucher »die ungewöhnliche Mischung aus Jazz und politischem Sprechgesang« beeindruckte, ging ein weiterer konkret auf den Inhalt ein und schöpfte Hoffnung darin, dass Wissenschaft und Technik Mittel finden mögen, dem Klimawandel entgegenzuwirken.