Dieser Lebensweg war nicht unbedingt vorgezeichnet. Pucher nennt sich eine »teutonische Promenadenmischung«. Mutter von Norderney, Vater aus Graz in der Steiermark. Der Sohn kommt 1979 in Stuttgart zur Welt. Als sich die Eltern trennen, zieht die Mutter, eine gelernte Krankenschwester und Spezialistin für Krankenhaushygiene, aus beruflichen Gründen nach Lich. In dem kleinstädtischen und konservativen Umfeld muss der Junge seinen Platz erst finden. »Geschiedene Eltern, eine alleinerziehende, berufstätige Mutter, das war noch eher ungewöhnlich«, erinnert sich Pucher. Aber die Dinge entwickeln sich gut. »Ich habe bisher im Leben viel Glück gehabt.«
Auch, weil er immer wieder Leute findet, die ihn fördern. Seine erste Lehrerin Magdalena Haas zum Beispiel. Sie entscheidet: »Der Junge geht aufs Gymnasium, der schafft das.« Mutter und Stiefvater folgen dem Rat. Dennis Pucher macht an der Butzbacher Weidigschule sein Abitur. »Als erster in der Familie.«
Auf seinen wichtigsten Förderer wird er aber erst später treffen: Hermann Otto Solms. Den prominenten Liberalen und weitere Licher FDP-Politiker, darunter den früheren Kreisvorsitzenden Andreas Becker, lernt Pucher Anfang der Nuller-Jahre im »Frankfurter Hof« kennen. Mit den Freien Demokraten hat er zu dieser Zeit nichts am Hut, als Schüler ist er in die Junge Union eingetreten. Aber zu den Leuten, die dort am Stammtisch sitzen und diskutieren, findet er rasch einen Draht. »Ich bin nicht als Liberaler geboren«, sagt er. Der Weg zur Auseinandersetzung mit dem Freiheitsbegriff führt bei ihm über Persönlichkeiten. »Erst fand ich die Leute gut, dann habe ich auch im Studium die Ideen nachgeschärft.« Wie viel Brisanz im Umgang des Staates mit den Freiheitsrechten steckt, habe sich in der Corona-Krise gezeigt. Die Freien Demokraten hätten für ihre klare Haltung viel Zuspruch erhalten.
Die FDP ist für ihn die Partei, »die jedem etwas zutraut«. Mit dieser Haltung verbindet er auch ein Aufstiegsversprechen. Soziale Herkunft dürfe nicht über Bildungschancen entscheiden, sagt er und räumt ein, dass dieser Satz auch von einem Linken stammen könnte. »Aber ein Linker würde sagen: Ich muss dich an die Hand nehmen.« Der Ansatz der FDP sei ein anderer: »Wir sagen: Du kannst es. Wir geben dir die Tools an die Hand. Aber entscheiden musst du selbst.« Vor diesem Hintergrund kann Pucher auch nichts mit dem Bild von der FDP als Partei der Besserverdienenden anfangen. »So habe ich die FDP nicht kennengelernt«, betont er. »Dafür aber als Partei, die sehr diskussionsfreudig ist.«
In die praktische Politik ist der Licher 2012 als Kreistagsabgeordneter eingestiegen, seit 2015 sitzt der in der Stadtverordnetenversammlung, seit 2016 führt er den FDP--Kreisverband. Beruflich ist er, nach Episoden als Pressereferent beim Landkreis und Geschäftsführer des Regionalmanagements Gießener Land, in der Selbstständigkeit angekommen. Vor elf Jahren gründete er die Beratungsfirma »Denkstrukturen«. Die Arbeit an Projekten kommt, wie er sagt, seinem Drang nach Abwechslung entgegen. Die Firma soll es auch im Falle seiner Wahl in den Bundestag weiter geben. »Auf jeden Fall«, versichert der Gründer. »Ich halte viel davon, dass man unabhängig bleibt.«
Dem Thema Digitalisierung, das er seit seiner Arbeit fürs Regionalmanagement beruflich und politisch intensiv beackert, würde er auch in der Hauptstadt gerne treu bleiben. Ein Sitz im Bundestagsausschuss »Digitale Agenda«, das wäre sein Ding. »Aber machen wir uns nichts vor: Wenn du neu bist, musst du nehmen, was die Resterampe hergibt.« Aber erst einmal muss er es überhaupt schaffen nach Berlin. Deshalb wirft sich Pucher mit Energie in den Wahlkampf. Den Urlaub haben er und seine Frau, eine Zahnärztin, in diesem Sommer gestrichen.
Redaktioneller Hinweis: Dieser Text erschien erstmals am 19.08.2021.