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»Das Krankheitsbild ist gut zu behandeln«

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Von: Redaktion

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Lich (pm). Nach jüngsten Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Urologie leiden circa acht Millionen Menschen bundesweit, also rund zehn Prozent aller Deutschen, unter einer Erkrankung, die den Alltag stark einschränkt, die Lebensqualität enorm beeinträchtigt und oft zu Partnerschaftsproblemen und sozialer Isolation führt. Und obwohl das Krankheitsbild mittlerweile gut zu behandeln ist, findet nur ein Bruchteil der Patienten den Weg zum Facharzt.

Die Rede ist von der Harninkontinenz. Der Weltinkontinenztag am heutigen 30. Juni hat das Ziel, darüber aufzuklären.

»Harninkontinenz bringt meist einen großen Leidensdruck mit sich«, erläutert Tatiana Pfiffer Favero, Oberärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtsklinik der Asklepios-Klinik Lich. Dennoch vergeht bis zu einem Arztbesuch oft viel Zeit, wie Pfiffer bedauert: »Leider ist die Harninkontinenz für viele Betroffene, insbesondere Männer, ein Tabuthema - niemand spricht gern darüber, nicht mal mit einem Arzt.«

So schätzt die Deutsche Kontinenzgesellschaft, dass rund die Hälfte der Betroffenen sich mit der eigenen Inkontinenz abfindet - viele sind der Meinung, Inkontinenz ›gehöre halt zum Älterwerden dazu‹ oder ›sei nach einer Prostataoperation normal‹.

Pfiffer Favero ist Expertin für Urogynäkologie, dabei handelt es sich um einen Teilbereich der Gynäkologie, der sich mit Inkontinenz sowie Senkungs- und Beckenbodenbeschwerden beschäftigt, und ist in Lich im Beckenbodenzentrum aktiv.

Die Expertin ermutigt Betroffene jeden Alters, egal ob Mann oder Frau, über ihren Schatten zu springen und sich ärztlichen Rat zu holen: »In den allermeisten Fällen ist eine Inkontinenz gut zu behandeln. Mit den modernen Therapiemöglichkeiten können wir das Leiden der Betroffenen häufig heilen, immer aber deutlich lindern.«

Auf diesem Weg ist Ursachenforschung der erste und oftmals entscheidende Schritt - denn der unwillkürliche Harnverlust kann zahlreiche Gründe haben: Von einer Beckenbodenschwäche über Nervenerkrankungen bis zur Komplikation in Folge einer Operation. Entsprechend umfassend ist auch die Diagnostik: Ausführliche Gespräche, Protokolle des Trinkens und Wasserlassens, Blut- und Urinuntersuchungen kommen ebenso zum Einsatz wie Stresstests oder bei Bedarf Ultraschall oder funktionsdiagnostische Verfahren.

»Mit dem Wissen um Ursache und Schweregrad können wir dann eine gezielte Therapieentscheidung treffen«, erläutert Pfiffer Favero. Dazu gehören Beckenbodentraining, das auch bei Männern sehr effektiv ist, aber auch eine medikamentöse Behandlung oder verschiedene Operationsverfahren, zum Beispiel zur Stärkung des Schließmuskels. Insbesondere die operative Behandlung hat sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt. Minimalinvasive Verfahren, die eine schnellere Genesung und weniger Belastung bedeuten, sind heute die Regel.

»Wenn Betroffene erst einmal wissen, dass es Handlungs- und Behandlungsmöglichkeiten gibt, ist das häufig schon eine große Entlastung«, sagt Pfiffer Favero.

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