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Monster-Unwetter im Kreis Gießen vor zehn Jahren - „Verheerend für Lich, Grünberg und Co.“

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Von: Ursula Sommerlad

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Heute vor zehn Jahren richtete ein heftiges Unwetter in der Licher Altstadt erheblichen Schaden an. (Archiv) © jtr

Mit der Katastrophe, die das Ahrtal verwüstet hat, ist dieses Unwetter nicht zu vergleichen. Dennoch: Heute vor zehn Jahren bekamen die Menschen rund um Lich einen Eindruck, was entfesselte Naturgewalten anrichten können. Am frühen Abend des 24. August 2011 fegte ein besonderes Gewitter über den Süden und Osten des Kreises Gießen: eine HP-Superzelle mit orkanartigen Böen und Hagelkörnern, größer als ein Tischtennisball.

Lich - Können Sie sich noch erinnern? Über diese Frage muss Marco Römer nicht lange nachdenken: »Sehr genau sogar!« Der 24. August 2011 hat dem Ober-Bessinger, der seit 2008 Stadtbrandinspektor von Lich ist, viel abverlangt. 110 Einsätze haben er und sein Kollege an diesem denkwürdigen Mittwoch zwischen 16.45 und 23 Uhr dokumentiert. Bis heute kann man auf Youtube ein Video anschauen, auf dem eine Flutwelle vorbei an der Eisdiele durch die Unterstadt schwappt.

Lich war von jener legendären Gewitterzelle am stärksten betroffen. Auch in Pohlheim und in Langgöns hatten die Feuerwehren alle Hände voll zu tun. Ebenfalls gefragt, wenn auch in geringerem Maße, waren die Wehren in Laubach, Grünberg, Hungen und Reiskirchen.

Römer weiß noch genau, wie der Marathoneinsatz für ihn begonnen hatte: Mit einer Unwetterwarnung auf dem Handy. »Ich war mit dem Auto auf dem Weg nach Gießen, und als ich zurück Richtung Lich geschaut und die gelbe Wolke gesehen habe, bin ich sofort umgekehrt.« Als er das Feuerwehrhaus in der Ringstraße erreichte, war sein ziemlich neuer Dienstwagen schon vom Hagel zerbeult.

Unwetter im Kreis Gießen: Bis zu fünfeinhalb Zentimeter große Hagelkörner

Einer, der das Unwetter frühzeitig hatte kommen sehen, war Jonas Piontek. Der aus Grünberg stammende Fotograf, der sich auf Wetterphänomene spezialisiert hat und mit Gleichgesinnten das Forum »Gewitterjagd« betreibt, hatte schon um drei Uhr nachmittags beim Blick aufs Radar gesehen: Da kommt eine Zelle mit einem extremen Kern angerast.

Von der Queckbörner Höhe aus hat er das Gewitter mit der Kamera dokumentiert und die bis zu fünfeinhalb Zentimeter großen Hagelkörner gleich mit. Bis zu 150 km/h schnelle Sturmböen ließen sein Auto kurzzeitig vom Boden abheben.

Piontek geht in ganz Europa und weltweit auf Gewitterjagd. Dennoch urteilt er: »Das war schon ein eher ungewöhnlich schweres Ereignis für unsere Region.« Hessen sei nicht gerade die Superzellen-Alley des Landes. Im Süden Deutschlands, insbesondere am Alpenrand, seien HP-Superzellen ein häufiges Phänomen. Diese Gewitter seien durch Hagel oder schwere Windböen gekennzeichnet. »Aber die Kombination aus Orkan und fünf Zentimeter großem Hagel war damals verheerend für Lich, Grünberg und Co.« Storm Chaser wie Jonas Piontek gehen in entlegenen Weltengegenden auf Gewitterjagd. Feuerwehrleute wie Marco Römer hoffen, dass sie von solchen Unwettern verschont bleiben.

Unwetter vor zehn Jahren: „Auf solche Einsätze verzichten wir gerne“

»Die Licher Feuerwehr ist gut aufgestellt. Aber auf solche Einsätze verzichten wir gerne«, sagt er ein bisschen ironisch. Damals vor zehn Jahren hat er gleich bei seiner Ankunft gesehen, was ihn erwartet. »Am Schlosspark lagen die Bäume um und in der Bahnhofstraße stand das Wasser einen halben Meter hoch. Ich wusste, das wird was Größeres.«

In solchen Situationen gelte es, kühlen Kopf zu bewahren. Eine rasch gebildete technische Einsatzleitung habe das weitere Vorgehen vor Ort koordiniert. Das sei bei solchen Großeinsätzen wegen Überlastung der zentralen Einsatzleitstelle üblich. Und wie fühlt man sich, wenn die Ereignisse sich überschlagen? »Man funktioniert«, sagt Römer. »Da ist viel Adrenalin im Spiel, aber man muss abrufen, was man geübt hat.«

In Lich sei das damals gut gelungen. Die zentrale Frage in solchen Situationen laute: Was ist dringend und wichtig? Damals seien Landwirte mit Traktoren im Wald eingeschlossen und Autofahrer durch umgestürzte Bäume in ihren Fahrzeugen eingeklemmt worden. »Wasser im Keller muss dann warten«, sagt der Stadtbrandinspektor.

Unwetter bei Lich: „Das war das letzte große Ding“

»Das war das letzte große Ding in Lich«, sagt Marco Römer rückblickend. Von anderen Unwettern, die die Region seither getroffen haben, sei die Stadt glücklicherweise verschont geblieben.

Und mit dem, was sich vor sechs Wochen in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen abgespielt hat, seien die Ereignisse nicht im geringsten zu vergleichen. Auch aus Lich habe man einen Kollegen für Hilfestellungen im Ahrtal freigestellt, der Unfassbares von den tiefgreifenden Verwüstungen dort berichte.

Das Unwetter vom 24. August 2011 war, was sein Zerstörungspotenzial angeht, ein viel, viel kleineres Kaliber. Römer: »Es kam schnell. Es ging aber auch schnell wieder vorbei.« Und das allerwichtigste: Menschen kamen nicht zu Schaden.

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