Lich ist hübsch, und es ist immer was los

Lich, Hungen, Fernwald Reiskirchen - in diesen vier Gemeinden sind die Redakteurinnen Ulla Sommerlad und Tina Jung für die Gießener Allgemeine unterwegs. Fangen wir mit Lich und Ulla an.
Wir sind zu Fuß unterwegs. Die Sonne steht noch tief, aber sie ist da. Wir treffen uns an der Ecke Kolnhäuser/Gießener Straße und laufen schnurstracks mit Ullas Hund Suse (brav an der Leine, feiner Hund) in den Schlosspark. Schön grün hier, aber irgendwie fehlt etwas. Der Park sieht unfertig aus. Egal, die Licher nutzen ihn, und dafür ist er ja auch da. Ulla ist seit 1991 »immer mal« für die GAZ in Lich, seit 1993 ist sie die zuständige Redakteurin. »Der Hessentag im selben Jahr war der richtige Einstieg«, erzählt sie. »Soll sehr schön gewesen sein, aber ich habe nicht viel davon mitbekommen«, sagt sie und lacht. Sie lacht gerne, und ihr Lachen ist ansteckend. Um das klarzustellen: Ulla organisierte, hetzte beim Hessentag von Veranstaltung zu Veranstaltung. Für zehn Tage war sie so etwas wie eine rasende Reporterin. Ihre Bilanz: »Viele Gelder sind geflossen, der Hessentag hat Lich gutgetan.«
Der Alltag in Lich sah damals so aus: Ludwig Seiboldt war (seit 1984) Bürgermeister. Er hatte die Stadt umgekrempelt. »Lich«, sagt Ulla, »war kein verschlafenes Provinzstädtchen mehr.« Die Stadt wuchs: 1985 hatte Lich etwas über 11 000 Einwohner. 2008, als Seiboldt kurz nach dem Ende seiner Amtszeit starb, waren es knapp über 13 000, heute sind es rund 14 000. Die Altstadtsanierung hatte Mitte der 1990er Jahre ihren Höhepunkt schon überschritten.
»Das Wachstum hatte Gründe«, sagt Ulla. Bauplätze wurden geschaffen, zwei große, vielleicht zu große Gewerbegebiete erschlossen, die Infrastruktur ganz allgemein verbessert. Durch die vielen Neubürger gibt es zeitweise zu wenig Kindergartenplätze. »Das Wachstum brachte auch mehr Verkehrsprobleme mit sich. Die Pläne für eine Umgehung liegen auf Eis. Verkehr ist immer ein großes Thema. Die Stadt ist eben nicht für Autos gebaut«, sagt Ulla mit lakonischem Unterton und mit einem Blick, der signalisiert: »Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.« Um dann doch noch hinzuzufügen: »Aber kein Vergleich zu Gießen.«
Das Wachstum setzte sich unter Bürgermeister Bernd Klein fort. »Klein war ein guter Bürgermeister für Lich, das bittere Ende seiner Amtszeit hat er nicht verdient«, sagt die Kollegin. Und meint damit den zeitweise unerträglich hart geführten Konflikt um das Logistikzentrum. »Das war für mich und auch meine Kollegin Tina Jung das Härteste, was wir dienstlich mitgemacht haben. Ich war manchmal fassungslos. Alle haben Fehler gemacht. Gut, hinterher wissen immer alle alles besser. Fakt ist: Die Licher haben sich nicht rechtzeitig gekümmert, die Stadt hätte den Plan besser kommunizieren müssen. Alle sind zu spät aufgewacht.« Die Lage hat sich beruhigt, geheilt sind die Wunden noch nicht. Langfristfolgen: Bei der Kommunalwahl im März gab es einen Erdrutschsieg für die Liste der »Bürger für Lich«. Keine leichte Situation für Bürgermeister Julien Neubert, der seit Anfang 2020 im Amt ist.
Ulla hat sich in Lich schnell heimisch gefühlt. »Wenn ich nicht in Gießen so schön wohnen würde, dann würde ich Lich wählen«, sagt sie. Lich sei eine Stadt der Kultur - mit urbanem Touch. »Hier gibt es unglaublich viele Menschen, die was machen wollen, die Ideen haben und den Mut, Risiken einzugehen.« Und was genau macht Lich so besonders? »Lich ist hübsch, und es ist immer was los.«
Sie zählt auf: »Kunst in Licher Scheunen« (»ein Highlight für mich«), die Licher Kulturtage, das Kloster Arnsburg mit seinem vielfältigen Kulturprogramm. »Beeindruckend ist der Bürgerpark, den sich die Menschen in der Stadt selbst geschaffen haben. Hier kommen die Kulturen zusammen.« Und dann das Kino - ein echter Traumstern am Kulturhimmel. »Ich habe hier Filme gesehen, die mich bis heute nicht loslassen.« In der Fasanerie gab es große Konzerte, beispielsweise mit Pur. Der Stadtturm sei ein tolles, weithin sichtbares Wahrzeichen, und dann sei da noch der Park und die Brauerei. »Damit ist aber längst nicht alles erwähnt, was Lich an Kultur und Schönem zu bieten hat.« Engagement und Ideen gebe es auch in den Ortsteilen. Da sei das Dorf- und Kulturladenprojekt in Eberstadt, die Bessinger Pforte mit dem Verein »Pforte 1782 Ober-Bessingen«, das frühere Künstlersymposium in Bettenhausen und das Gemeindeschwesternprojekt in Bettenhausen, Birklar, Langsdorf, Eberstadt und Muschenheim. »Und auch da gäbe es noch viel mehr zu nennen, unter anderem die tolle Arbeit der Vereine.«
Wer fremd nach Lich komme, der solle einfach mal durch die Altstadt und den Bürgerpark laufen und unter freiem Himmel einen Kaffee trinken. »Das wirkt nach«, sagt Ulla - und fügt noch hinzu: »Hier wohnen übrigens viele nette, interessante und angenehme Leute. Mit denen kommt man schnell ins Gespräch.« Na dann, auf nach Lich!