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Neuer Trend »Waldbaden« jetzt auch im Laubacher Forst

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Von: Nastasja Akchour-Becker

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Baden kann man in vielem, beispielsweise in Wasser. In Laubach hat nun ein neuer Wellness-Trend Fuß gefasst: das Waldbaden. Es soll digital entgiften. Ein Selbstversuch.

Dass ich einmal drei Stunden im Regen querfeldein durch den Wald gehe, meine Schuhe ausziehe, um über Moss, Zapfen und Fichtennadeln zu laufen, und am Ende tief entspannt und mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause fahre, hätte ich nicht gedacht, als ich vom Waldbaden hörte. Doch genau das ist passiert.

Seit Kurzem bietet Kornelia Stöhr das Konzept des sogenannten Waldbadens in Laubach an. Das Ganze hat eine Vorgeschichten: Angefangen hat es bei ihr mit einem Husten. Er begann im Winter 2017 an, bis zum darauffolgenden Frühjahr hatte sich eine Pollenallergie entwickelt. Mit dem kortisonhaltigem Asthmaspray vom Arzt war sie unzufrieden. Dann schlug ihr die Sprechstundenhilfe vor, in den Wald zu gehen. »Das habe ich gemacht und vier Wochen später ging es mir viel besser«, erzählt Stöhr. Man darf nur nicht gegen Buchen allergisch sein.

Das Thema ließ die Frau, die im Marketing eines Industrieunternehmens arbeitet, nicht mehr los. Bei der Recherche im Internet stieß sie auf Shinrin Yoku. So heißt Waldbaden auf Japanisch. Im vergangenen Jahr ließ sie sich in Ober-Ursel zur Kursleiterin für Waldbaden ausbilden und möchte nun ihre Begeisterung für die Natur an andere weitergeben.

"Positive Wirkung ist durch Studien belegt"

Am vergangenen Freitagabend sind es neben mir noch zehn weitere Männer und Frauen, die sich am Parkplatz Buchwald am Ruheforst eingefunden haben. Als wir unsere Entdeckungsreise starten, nieselt es, die Luft ist sauerstoffreich und trägt stärker als sonst die Gerüche des Waldes. »Wichtig ist, dass wir achtsam mit dem Ökosystem Wald umgehen«, sagt Stöhr.

Wir sollen darauf achten, dass wir nicht auf junge Bäumchen treten. Beim Schlendern sollen wir ankommen und unsere Gedanken ziehen lassen. Unsere Handys sind sowieso schon ausgestellt. Stöhr rät uns, uns vorzustellen, dass wir von einem anderen Kontinent kommen und zum ersten Mal den Wald sehen. Das soll dabei helfen, über die Wunder der Natur zu staunen.

»All das mag ein wenig esoterisch klingen, aber die positive Wirkung des Waldbadens ist durch Studien aus Ost und West hinreichend belegt«, sagt Stöhr. Wissenschaftlich betrachtet könne man sagen, dass sich der Wald auf das Hormonsystem wirkt. Er senke die Stresshormone Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin und steigere das Herzschutzhormon DHEA und das Glückshormon Serotonin. Der Wald beruhigt und senkt den Blutdruck.

Der Wald als Ort zum Entspannen und Heilen

»Besonders interessant ist die Wirkung auf unser Immunsystem«, sagt Stöhr. »Der Wald sorgt dafür, dass sich unsere natürlichen Killerzellen vermehren und aktiver werden.« Hauptsächlich tragen dazu die sogenannten Terpene bei, chemische Botenstoffe über die Bäume und Pflanzen kommunizieren.

Wir legen einen Halt ein, und während wir die Regentropfen auf der Nase spüren und die Vögel singen hören, lädt uns die Kursleiterin dazu ein, an einer Übung teilzunehmen. Wir starten mit einer Qigong-Atemübung, dann stellen wir uns vor, dass unsere Beine und Füße Wurzeln schlagen und unsere Arme vom Wind durchgeschüttelt werden.

»Das Waldbaden ist kein normaler Spaziergang durch den Wald«, sagt Stöhr. »Der Wald ist kein Ort zum Durchlaufen mit Gedanken im Gepäck, sondern ein Ort zum Entspannen und Heilen.« Die Menschen ziehe es in den Wald, weil er einer der letzten Orte ist, in dem Ruhe und Frieden für uns herrscht. Das digitale Zeitalter habe uns fest im Griff. »Nach zwei Stunden im Wald kommt der Körper zur Ruhe«, so Stöhr. In Japan gelte Waldbaden als Medizin und sei fester Bestandteil der Gesundheitsvorsorge.

"In der Natur passt alles zusammen"

Wir haben nach zwei Stunden schon einen kleinen Weg hinter uns: Wir haben Gegenstände zusammengetragen und Wörter gesagt, die wir mit dem Wald verbinden. Nach einem mit Ästen verhangenen Weg kamen wir auf eine märchenhafte Lichtung mit einem kleinen Rinnsal und erfreuten uns an den unterschiedlichen Grüntönen. Weil das Waldbaden alle Sinne ansprechen soll, haben wir auch an Nadeln, Gräsern, Rinden, Blättern und Moosen gerochen und unsere Schuhe ausgezogen, um barfuß unter Fichtenbäumen zu laufen – eine natürliche Fußreflexzonenmassage.

»In der Natur passt alles zusammen, alles hat seine Ordnung«, erzählt Stöhr voller Begeisterung. »Das sogenannte Totholz ist gar nicht tot, und in einer handvoll Erde stecken mehr Lebewesen als Menschen auf dieser Welt«. Und dann kommt der Moment, in dem auch wir versuchen sollen, die positive Energie des Waldes aufzunehmen. Jeder sucht sich einen Baum zum Anlehnen und erzählt ihm im Stillen seine Probleme. »Alles kann, nichts muss«, sagt Stöhr über die Übungen, die sie bewusst Einladungen nennt.

Frei sein wie ein Kind

Bevor wir nach drei Stunden und drei Kilometern zum Ende kommen, laufen einige Teilnehmer über einen Baumstamm, mal wieder Kind sein und loslassen, bereitet ihnen Freude. »Man sollte zweimal im Monat in den Wald gehen«, rät die Kursleiterin.

In meinem Rucksack steckt eine Postkarte, auf die ich Blätter, Gräser und Stöcke geklebt habe. Sie soll mich an den Wald und seine Geschenke erinnern.

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