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»Eklatanter Fachkräftemangel«

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Von: Thomas Brückner

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Teilansicht des Altenheims in Laubach: Die Zahl der vollstationären Plätze sinkt von 90 auf 74. © Thomas Brueckner

Wie ist es um die Altenpflege in Laubach bestellt? Gerade im vollstationären Bereich, so eine erste Antwort, herrscht ein Mangel an Pflegeplätzen. Und der wird noch steigen. Ursache, so der Chef des Diakoniezentrums vor dem Sozialausschuss, ist der eklatante Fachkräftemangel. Mit eklatanten Folgen auch für Laubach.

Just zum Beginn der Pandemie, am 1. Februar 2020, trat Bernd Klein das Amt des Geschäftsführers des Oberhessischen Diakoniezentrums (OD) an. Als Träger von Altenheimen in Laubach, Lich und Hungen, Kitas in Laubach und Langsdorf, betreuten Wohnungen sowie ambulanten Diensten, einem Jahresumsatz von 24 Millionen Euro und 460 Mitarbeitern ist es das größte Sozialunternehmen im Ostkreis.

Kosten steigen

»Abgesehen von kleineren Blessuren wie erhöhte Krankenstände«, so Klein rückblickend vor dem Sozialausschuss, »haben wir Corona recht gut überstanden.« Der Blick nach vorn fällt wesentlich trüber aus, wie sein Sachstandsbericht verrät. Ergebnis einer auf das Jahr 2030 ausgerichteten Bedarfsprognose.

Für Einrichtungen mit vollstationärer Versorgung macht der OD-Chef inzwischen eine Phase der »Stagnation« aus. Nicht wegen eines geringeren Bedarfs, sondern der Kosten. Zum einen reichten die Pflegesätze nicht aus. Zum anderen: »In Lich beläuft sich der Eigenanteil auf 3600 Euro, in Laubach auf 2800 Euro, die Kasse hat da schon gezahlt.« Angesichts einer Durchschnittsrente von 1200 Euro könnten sich das wohl nur wenige Senioren leisten. Eine Folge sei der Anstieg der Sozialhilfekosten, übrigens zulasten der Kommunen, da über die Kreisumlage finanziert. Zum anderen wachse der Bedarf an ambulanten Angeboten, um möglichst lange die Pflege daheim zu ermöglichen.

Größtes Problem auch für das Diakoniezentrum ist freilich der »eklatante Fachkräftemangel«. Die Konsequenz: Allein in Laubach wird die Zahl der vollstationären Pflegeplätze von 90 auf 74 reduziert. Gerade für diesen Bereich falle die Suche nach Personal zusehends schwerer, stellt Klein heraus. Dies trotz der seit 2020 um 15 Prozent erhöhten Entgelte gemäß Tarif der evangelischen Kirche. Schon ob der Arbeitszeiten erscheine der Beruf jungen Menschen wenig attraktiv. Und jene, die sich doch dafür entschieden, zögen das Krankenhaus dem Alten- und Pflegeheim vor. Dass die geburtenstarken Jahrgänge jetzt ins Rentenalter kommen, verschärft die Lage noch. »Da ist es schwierig, den Standard zu halten.« Auf den »Boom« der ambulanten Dienste - Klein sprach von einer Zunahme um rund 40 Prozent - will sich das OD einstellen, ambulante Angebote, gerade Tages- und Kurzzeitpflege, ausweiten. Wiederum für den Standort Laubach hat dies eklatante Folgen: Abriss des Altbaus an der Ecke Stiftstraße/Schottener Str. (Haus Crespel). »Wir brauchen dringend Parkplätze.«

Um Pflegekräfte aus Indien bemüht

Wie in anderen Bereichen des »Social Business« versucht das OD, dem Fachkräftemangel durch Anwerbungen im Ausland zu begegnen. Und muss sich wie andere mit einer »überbordenden Bürokratie« plagen, wie es der Geschäftsführer trotz Verständnis für das Wahren einer hohen beruflichen Qualifikation fasst. Klein verweist auf Bemühungen, indische Pflegekräfte einzustellen. Erst im Herbst, nach rund anderthalb Jahren, hofft er, zwei Kolleginnen begrüßen zu können. Die beiden anderen seien unterdessen abgesprungen.

»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, zitiert er am Ende ein altes Sprichwort. Und meint damit wohl eine bedarfsgerechte Migrationspolitik, die etwa - anders als derzeit - das Anwerben von Auszubildenden nicht verbietet. FOTO: TB

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