Verwaist, aber nicht vergessen
Das Paul-Schneider-Freizeitheim bei Dornholzhausen war weit über 60 Jahre Ausflugsziel für zahlreiche Konfirmanden und Gruppen. 2019 wurde es vom Kirchenkreis geschlossen, mittlerweile steht es zum Verkauf. Die Zukunft des Ensembles ist weiterhin ungewiss.
Der Titel dieser Reihe, »Vergessene Orte«, trifft auf das Paul-Schneider-Freizeitheim (PSF) nur bedingt zu. Denn in Vergessenheit geraten ist das Gebäudeensemble noch lange nicht. Seit Monaten ist es Thema in der Langgönser und Hüttenberger Kommunalpolitik. Doch auch die vielen Besucher - insgesamt weit über eine halbe Million - werden ihre Zeit im PSF kaum vergessen haben. Derzeit ist der Ort jedoch verwaist - und seine Zukunft ungewiss.
Vor fast 110 Jahren baute ein Landwirt westlich von Dornholzhausen einen kleinen Hof mit Wohnhaus, Scheune und Stallungen - den Strauchhof. Später kam die Gemeinde Dornholzhausen in Besitz des Areals.
Die Jugendlichen der miteinander verbundenen Kirchengemeinde Dornholzhausen und Hochelheim suchten damals einen Treffpunkt. Die Idee: Dafür den Strauchhof anzukaufen. Um das Projekt zu unterstützen, druckten die Jugendlichen Bausteine - und verkauften diese zugunsten des geplanten Jugendzentrums. 1955 beschlossen die Kirchengemeinde und der Kirchenkreis Braunfels, das rund 7000 Quadratmeter große Areal für 35 000 DM von der Gemeinde Dornholzhausen zu erwerben. Ein Jahr später wurde der Kauf besiegelt.
1964 bekam die Einrichtung ihren Namen: Paul Schneider war von 1926 bis 1934 Pfarrer in der Kirchengemeinde. Der Widerstandskämpfer wurde 1939 im Konzentrationslager Buchenwald ermordet. Um an ihn zu erinnern, wurde das Gebäudeensemble »Paul-Schneider-Freizeitheim« getauft.
Der Name zeigt aber auch: Das Projekt hatte sich von einem reinem Jugendtreff zu einem Gastbetrieb entwickelt. Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet sowie dem europäischen Ausland kamen ins PSF.
Zunächst handelte es sich um ein reines Selbstversorger-Haus. Die Konfirmanden reisten mit dem Bus an, der jedoch an der gut einen Kilometer entfernten Landstraße hielt. Mit von Kühen gezogenen Fuhrwerken wurden die Jugendlichen und ihr Gepäck zum Strauchhof gebracht, manchmal wurde aber auch gelaufen. Dort wurde in Zelten und der Scheune übernachtet. Gewaschen wurde sich morgens mit kaltem klaren Brunnenwasser.
Nach und nach wurde das Ensemble renoviert. Mit der Zeit stieg der Komfort, auch weil regelmäßig in Um- und Anbauten investiert wurde. Zum 50-jährigen Jubiläum etwa erhielt das PSF einen Anbau mit Spiele- und Versammlungsraum. Zuletzt gab es 60 Betten in zwei voneinander abtrennbaren Gruppenbereichen, die sich nur die Küche teilten. Draußen lagen ein gepflegter Fußballplatz sowie eine Grillhütte und ein Pizzabackofen, der gerade von den Konfirmanden rege genutzt wurde.
Ausflugsziel vieler Gruppen
Die Konfirmanden aus nah und fern waren mit ihren Freizeiten jedoch nicht die einzigen Nutzer. Auch Schulen und Kindergärten, Gemeindegruppen und Gesangvereine nutzten das Gebäude als Ausflugs- und Tagungsort. Viele Menschen haben daran gute Erinnerungen. Auch der Konfirmanden-Tag des Kirchenkreises Braunfels wurde dort über Jahrzehnte gefeiert, ebenso der Gottesdienst im Grünen.
2015 wurde das 60-jährige Bestehen des Freizeitheims noch groß gefeiert. Diakon Jörg Simon, damals für die Jugendarbeit im Kirchenkreis zuständig, sagte: »Das Paul-Schneider-Freizeitheim als Tagungshaus in kirchlicher Trägerschaft ist für mich so wichtig, weil hier Kirche und christliche Gastfreundschaft mit allen Sinnen erfahrbar werden. Das ist wichtig für die Zukunft unserer Kirche.«
Nur vier Jahre später verabschiedete sich der mittlerweile aus Fusion mit dem Kirchenkreis Wetzlar entstandene neue Kirchenkreis an Lahn und Dill von dieser »Zukunft«. Zunächst hieß es im Mai 2019, das PSF würde wegen eines Personalengpasses vorübergehend bis Dezember schließen. Ein Ausschuss sollte damals ein Konzept entwickeln.
Die Einrichtung blieb auch 2020 geschlossen - nicht wegen der Pandemie, sondern mangels Konzept. In Langgöns wurden viele Stimmen für den Erhalt des PSF laut. So wurde die Idee entwickelt, dort einen Naturkindergarten einzurichten, die Räume vom Kirchenkreis anzumieten und sich an Sanierungsarbeiten zu beteiligen.
Doch der Kirchenkreis winkte ab, die Idee für ein Bildungs- und Begegnungszentrum wurde verworfen. Stattdessen stimmten 79 von 110 der Delegierten bei der Synode in diesem Frühjahr für den Verkauf. In Langgöns wird nun an der Idee gefeilt, das Gebäude zu erwerben, um dort doch noch eine Kita einzurichten, vielleicht sogar in Zusammenarbeit mit Hüttenberg. Der Verkaufspreis dürfte dabei zur entscheidenden Frage werden. Sollte der Kirchenkreis dabei auf Gewinnmaximierung setzen, dürfte wohl eher ein finanzstarker Käufer als die Kommune zum Zuge kommen.