1. Gießener Allgemeine
  2. Kreis Gießen
  3. Langgöns

Truplast schließt Werk in Langgöns - alle Mitarbeiter verlieren ihre Jobs

Erstellt:

Kommentare

anj_DSC_1945_100822_4c
Am 31. Oktober ist Schluss: Truplast, der Hersteller von Schlauchsystemen für Staubsauger, gibt den Standort Langgöns auf. Die Firma führt wirtschaftliche Gründe an. Bürgermeister Reusch spricht von einer sehr überraschenden Nachricht: „Die Zeichen standen auf Standortsicherung.“ FOTO:IRI © Imme Rieger

Die Nachricht kam für viele Beteiligten durchaus überraschend: Die Truplast Kunststofftechnik GmbH wird ihren Heimatstandort Langgöns aufgeben. Alle 79 Mitarbeiter in Produktion und Verwaltung verlieren ihre Stellen.

Langgöns - 2019 expandierte die Truplast Kunststofftechnik GmbH noch und übernahm das Gebäude einer benachbarten Firma. Ende Juli sind die Angestellten bei einer Betriebsversammlung von der Unternehmensleitung dann aber informiert worden, dass das Werk zum 31. Oktober schließt. Das bestätigte nun Robert Richard Karsch, Assistent der Geschäftsführung: „Die Entscheidung, das Stammhaus zu schließen, ist uns sehr schwergefallen, aber uns blieb keine andere Wahl.“

Truplast produziert Schlauchsysteme für Staubsauger und hat Kunden in aller Welt. Das Unternehmen wurde 1974 in Langgöns „Am Wingert“ gegründet. Es unterhält Standorte in Thüringen und Ungarn, die weitergeführt werden, sowie Unternehmensbeteiligungen in Hongkong. Heute gehört die Firma den Kindern des verstorbenen langjährigen Geschäftsführers Georg Linhart.

Truplast macht Standort Langgöns dicht: Produktion leidet unter Zunahme von schlauchlosen Saugrobotern

Als Grund für die Schließung führt Karsch an, dass Aufträge mehrerer großer Kunden auslaufen oder beendet werden. Die Produktion von Staubsaugern mit Schläuchen gehe zugunsten von Saugrobotern zurück, die ohne Schläuche auskommen.

Die Umsatzausfälle habe das Unternehmen auf einem „heiß umkämpften“ Markt nicht kompensieren können. Darüber hinaus verweist Karsch auf die „sprunghaft gestiegenen Fixkosten, hier insbesondere die Beschaffungskosten für Rohstoffe und Granulate, die Personalkosten und die Energiekosten“. Vor diesem Hintergrund sei eine wettbewerbsfähige Produktion am Standort Langgöns nicht mehr möglich.

Im Lagebericht von Truplast zum Jahresabschluss des Geschäftsjahrs 2020 hieß es dagegen noch, die geschäftlichen Aktivitäten hätten sich „besser entwickelt als erwartet“, es gebe „positive Tendenzen“ und das Jahr sei unter Berücksichtigung der Pandemie „gut“ verlaufen. Im genannten Berichtsjahr seien auch „umfangreiche Rationalisierungsmaßnahmen in Angriff genommen“ worden.

Truplast-Schließung in Langgöns - es ist offen, was mit den Räumen und Maschinen geschieht

Das Ausmaß der aktuellen Entwicklungen sei im vergangenen Jahr noch nicht absehbar gewesen, sagt Karsch. „Wir hatten auf eine Erholung des Marktes nach der Pandemie gehofft. Stattdessen führte die hohe Inflation zu einer Kaufzurückhaltung bei Verbrauchern, die dazu führt, dass selbst Aufträge mit auskömmlichen Preisen einfach nicht genug Umsatzvolumen generieren, um die Fixkosten zu erwirtschaften.“ Laut Karsch seien „alle negativen Effekte seit gut einem Jahr“ aufgetreten und wirkten „sich sehr negativ auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebs in Langgöns aus“.

Was jetzt mit den Betriebsräumlichkeiten sowie den Maschinen geschieht, sei noch offen, sagt Karsch. Einen Sozialplan gibt es nicht. Ein Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte, berichtet: „Wir hatten mit einer Reduzierung gerechnet, aber nicht mit der völligen Schließung des Stammwerks. Als die Bombe bei der Betriebsversammlung platzte, waren wir schockiert und wie gelähmt.“

Viele Mitarbeiter hätten jahrzehntelang für Truplast gearbeitet. Abfindungen seien von der Geschäftsführung nicht vorgesehen: „Da werden Menschen um Jahresgehälter gebracht“, kritisiert der Mitarbeiter. Einen Betriebsrat habe es nie gegeben. Zum Glück sei der Markt noch »relativ gut«, einige Mitarbeiter hätten bereits Vorstellungsgespräche in anderen Betrieben gehabt. „Wir hoffen alle, dass wir in Firmen im Ort oder in der Region unterkommen.“

Auch der Langgönser Bürgermeister Marius Reusch zeigt sich betroffen: „Diese Schließung ist ein Schlag für die Gewerbelandschaft in Langgöns, insbesondere für die Beschäftigten von Truplast, das ein alteingesessenes, bewährtes Unternehmen war.“ Die Nachricht sei für ihn sehr überraschend gewesen, weil sich das Unternehmen schließlich 2019 noch erweitert hatte. „Die Zeichen standen auf Standortsicherung, Truplast war ein wichtiger Arbeitgeber im Ort, es hängen an dieser Schließung nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch deren Familien, regionale Zulieferer und andere ortsansässige Strukturen dran“, betont Reusch.

Gemeinde Langgöns will gekündigten Arbeitern helfen, neue Jobs zu finden

Die Gemeinde wolle nun gerne als Vermittler auftreten, um den Gekündigten zu helfen, ortsnah Arbeitsplätze zu finden. Als zweites müsse man Gespräche führen, um die Fläche, auf der Truplast bislang ansässig war, wieder einer guten Nutzung zuzuführen, „damit sich interessante Unternehmen ansiedeln“.

Robin Mastronardi, Gewerkschaftssekretär der DGB Region Mittelhessen, nannte die Aufgabe des Standortes „eine Schließung in Gutsherrenmanier“. Er verwies darauf, dass die Gewerkschaft in dem Fall die Hände gebunden seien, da es kein Betriebsrat bei Truplast existiert.

Auch interessant

Kommentare