1. Gießener Allgemeine
  2. Kreis Gießen
  3. Langgöns

Solarzellen auf dem Feld

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Patrick Dehnhardt

Kommentare

_124001_4c
Auf einige an die A45 angrenzenden Ackerflächen will ein Investor Flächenfotvoltaikanlagen bauen. © Manfred Henss

Langgöns (pad). Es brauche »innovative Ideen«, alle »Möglichkeiten sollten betrachtet« werden und zwischendurch wurde auch die »hätte, hätte, Fahrradkette« bemüht: Hätte im Umweltausschuss der Gemeinde am Dienstagabend ein Phrasenschwein gestanden, es wäre vermutlich randvoll geworden. Konkret sollte es um das Thema Klimawandel gehen, eine Grundsatzentscheidung zum Bau von Solarparks auf Acker- und Wiesenflächen gefällt werden.

Am Ende stand ein Handlungsauftrag mit Luft nach oben.

Dass man diese braucht, will man das ehrgeizige Ziel erreichen, bis 2040 als Kommune klimaneutral zu sein, war zuvor beim Referat von Klimaschutzmanagerin Susanne Müller deutlich geworden. Derzeit verbrauche die Gemeinde jährlich 363 Gigawattstunden Energie für Heizen, Industrie, Verkehr und Vergnügen. Um dies mal zu verdeutlichen: Hätte der Homo erectus, der Vorfahre des Neandertalers, vor 700 000 Jahren eine 60-Watt-Glühbirne angeknipst, hätte diese erst heute so viel Strom verbraucht.

101 Gigawattstunden entfallen auf den Verkehr mit Auto, Bus und Bahn, ebenso viel auf die Haushalte. 171 Gigawatt verbrauchen Industrie und Gewerbe, wobei ein Großteil des Energiebedarfs dabei auf das Konto einer Handvoll Firmen geht. Allein diese werden damit schon entscheidend sein, ob sich das Ziel Klimaneutralität erreichen lässt.

Bei den Fotovoltaikanlagen rechnet Müller damit, dass sich die Zahl von 500 auf 2000 bis 2032 erhöht - bei übrigens 13 140 Gebäuden im Gemeindegebiet. Dabei könnte jedoch entscheidend sein, ob es genügend Monteure und Bauteile gibt. Zudem macht der Denkmalschutz bei alten Scheunen und Häusern im Ortskern Probleme, da er auf diesen keine Fotovoltaik haben möchte. »Dass man so etwas in Weltkulturerbestätten wie Bamberg macht, kann ich nachvollziehen«, sagte Bürgermeister Marius Reusch. »Aber bei uns bei jeder Scheune?«

Müller verdeutlichte: Selbst 2000 Dachsolaranlagen würden nicht ausreichen, um das Ziel Klimaneutralität zu erreichen - welches übrigens noch immer zwei Tonnen Kohlendioxidausstoß pro Jahr pro Einwohner erlaubt. »Ganz ohne kleine Übel wird es nicht gehen, egal ob Windrad oder Freiflächenfotovoltaik«, sagte sie.

Da mehrere Interessenten, die solche Anlagen bauen wollen sich bei der Verwaltung gemeldet haben, sollte im Umweltausschuss ein Grundsatzbeschluss gefasst werden, ob die Gemeinde Freiflächenanlagen zulassen soll - also Solarzellen auf Wiesen und Feldern.

Dem Lang-Gönser Ortslandwirt Manfred Dern schmeckte dies gar nicht: »Die Dächer im Magnapark sind so gebaut worden, dass sie keine Fotovoltaik tragen können. Darauf hätte man achten müssen« kritisierte er - worauf Ausschussvorsitzende Eva Oberschelp mit »hätte, hätte, Fahrradkette« zur aktuellen Diskussion zurückkehrte. Dern sah die Landwirtschaft in Lang-Göns - die allerdings auch nur noch aus einer Handvoll Betrieben besteht - durch die Bebauung von zwei bis drei Äckern in ihrer Existenz gefährdet.

Die CDU positionierte sich klar pro Freiflächenanlagen. »15 Prozent des Strombedarfs könnten auf 6,2 Hektar Land produziert werden«, begründete Lars Müller. Zumal der Boden nicht weg sei und die Flächen unter den Fotovoltaikmodulen deutlich mehr Artenvielfalt als ein Acker aufweisen würden. Auch Michael Buss (Grüne) sah dies als Vorteil, zumal sich die Anlagen leicht rückbauen ließen: »Es ist ein bescheidener Eingriff im Vergleich zu einem Kohlekraftwerk.« Man solle die Anlagen jedoch nicht auf den besten Böden der Gemeinde bauen. Darüber bestand bei allen Fraktionen Konsens. Dr. Axel Wehrend (SPD) sagte mit Blick auf die von der Klimaschutzmanagerin vorgestellten Zahlen, dass man ohne Solaranlagen auf Freiflächen das Ziel Klimaneutralität nicht erreichen könnte. »Auch die Windkraft muss man neu denken.«

Die Freien Wähler zeigten sich zwar positiv, wollten aber zudem festgehalten wissen, dass Fotovoltaik auf privaten Dächern zu bevorzugen sei. Woraufhin die Diskussion vom Thema abschweifte. »Wird der Beschluss jetzt aufgebläht mit privater Fotovoltaik?«, erinnerte Anja Asmussen (SPD) daran, zu welchem Thema man einen Grundsatzbeschluss verfassen wolle.

Nach längerer Diskussion und der Bitte des Bürgermeisters um einen konkreten Handlungsauftrag wurde festgehalten, dass die Verwaltung Vorschläge zu Standorten machen soll - aber nur auf schlechten Böden oder nahe der Autobahn. Ein konkretes Projekt beinhaltet dieser aber bislang nicht, sodass sich 2022 wohl nicht mehr viel tun wird.

Auch interessant

Kommentare