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Ein Herzensprojekt: Familie rettet marodes Fachwerkhaus in Langgöns

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Von: Constantin Hoppe

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Die Familie Kane hat sich mit der Sanierung des »Boppehaus« in der Moorgasse einiges vorgenommen.
Die Familie Kane hat sich mit der Sanierung des »Boppehaus« in der Moorgasse einiges vorgenommen. © pv

Das sogenannte Boppehaus in der Lang-Gönser Moorgasse stand seit Jahrzehnten leer und verfiel immer weiter. Doch seit September kehrt wieder Leben in das heruntergekommene Gebäude ein. Eine Familie aus Langgöns (Kreis Gießen) hat sich vorgenommen, hier ihr neues Zuhause zu schaffen.

Langgöns – Christopher und Janina Kane stehen mit ihrer kleinen Tochter vor ihrem zukünftigen Haus. Sieht man die Familie vor dem Gebäude, kann man sich nur schwer vorstellen, dass sie schon bald hier leben will. Das Fachwerkhaus hat seine besten Tage schon lange hinter sich. Die Gefache liegen offen, an vielen Stellen sind Schäden zu sehen. Und doch haben sich die Eheleute entschlossen, dass dieses Haus ihre Zukunft sein soll. Damit liegen auch viele Arbeiten vor der Familie, die sie jedoch mit viel Begeisterung angehen.

Das »Boppehaus« in der Lang-Gönser Moorgasse steht seit Jahrzehnten leer; es zerfiel zusehends. Eigentlich sollte das Gebäude Anfang der Achtzigerjahre abgerissen werden, doch der Denkmalschutz untersagte dies.

Die Entscheidung, das Haus zu sanieren, entstand spontan: »Wir hatten vorher keinerlei Überlegungen, in ein Fachwerkhaus einzuziehen. Das Einzige, was wir uns vorgenommen hatten, war, in Lang-Göns zu bleiben oder maximal in einen Nachbarort zu ziehen«, berichtet Christopher Kane bei einem Besuch auf der Baustelle. Als gebürtiger Lang-Gönser wollte er seinen Heimatort nur ungern verlassen; er suchte deshalb eine Immobilie direkt vor Ort. Doch die Suche gestaltete sich schwierig: Die aktuellen Preise entsprachen nicht dem, was sich die Kanes vorstellten und leisten konnten. Dann besichtigten sie ein anderes Fachwerkhaus im Lang-Gönser Ortskern: »Da waren die Decken so niedrig, dass ich mir wie in einem Puppenhaus vorkam«, erinnert sich der groß gewachsene Christopher Kane. Doch dann fiel ihm und seiner Frau das »Boppehaus« ein. »Das Gebäude befindet sich seit Jahrzehnten in Familienbesitz. Mein Großvater hatte es Anfang der Achtzigerjahre gekauft. Seitdem stand es leer«, erzählt Kane. Anfang 2020 reifte dann die Idee, in eben jenes Gebäude zu ziehen, trotz des bedenkenswerten Zustands.

Familie lässt sich von Zustand des Fachwerkhauses in Langgöns (Kreis Gießen) nicht abschrecken

Hausherr Kane wandert durch sein zukünftiges Wohnhaus. Staub liegt auf dem Boden. Berührt man die Wände, rieseln Lehmreste herab. Die Balken liegen offen, einige beschädigt, aber trotz des Alters des Gebäudes ist das Gros noch in gutem Zustand und muss nicht ausgetauscht werden. Die hohe Deckenhöhe im Gebäude spricht für die Annahme, dass hier einst wohlhabendere Menschen gelebt haben müssen. Denn in früheren Zeiten wurden die Räume meist niedrig belassen, um sie warm halten zu können.

Die Kanes ließen sich vom Zustand des Gebäudes nicht abschrecken: Christopher Kane nutzte den ersten Corona-Lockdown, um die Balken im Gebäude freizulegen.

Das Gebäudeinnere muss komplett saniert werden.
Das Gebäudeinnere muss komplett saniert werden. © Constantin Hoppe

Vor rund einem Monat starteten dann die Arbeiten: Die Balken wurden begutachtet, die Gefache stellenweise aufgebrochen und neu gemauert. Die Abwasserrohre wurden erneuert, die unter besonderem Denkmalschutz stehende Haustür ausgebaut und zur Sanierung gegeben. In den vergangenen Tagen wurde das gesamte Gebäude mit einem Gerüst umgeben: Das Dach wird neu gedeckt. »Eigentlich wollten wir so viel wie möglich selbst machen. Aber gerade bei den anfänglichen Arbeiten ist es wichtig, dass Spezialisten das übernehmen«, sagt Kane.

Während er durch das Haus geht und erzählt, merkt man genau, dass er die fertigen Räume bereits vor seinem inneren Auge sieht. Der Boden im Eingangsbereich, das Aussehen des zukünftigen Kinderzimmers oder auch der obere Teil des Anbaus, der vermutlich als Wintergarten genutzt werden wird - all das beschreibt er auf dem Weg durch die Räume. Kane, seine Frau Jannina und die elf Monate alte Tochter Amy hoffen, dass sie Weihnachten 2022 schon in ihrem frisch sanierten Haus feiern können.

Förderungen gehen in den Kreis Gießen: Familie wird bei Sanierung in Langgöns unterstützt

Ermöglicht wurde das Herzensprojekt aber auch dank mehrerer Förderungen: Sowohl vom Landkreis als auch der Denkmalschutzbehörde erhielten die Kanes Fördermittel. Und da sie ihr Haus als Energieeffizienzhaus-Denkmal ausbauen werden, gab es eine weitere Förderung durch die KFW. »Insgesamt haben wir fast einen sechsstelligen Betrag an Fördermitteln erhalten«, berichtet Kane. Die Förderungen gingen aber auch mit reichlich Arbeit einher. Die erste Zeit war das Ehepaar vor allem mit den verschiedenen Anträgen und Formularen beschäftigt. »Dafür alleine könnte man vermutlich ein ganzes Studium machen«, meint Christopher Kane augenzwinkernd.

Die Mühen haben sich letztlich ausgezahlt. Die hohe Fördersumme war ein ausschlaggebender Punkt für die Familie, das Projekt in Angriff zu nehmen. Hausherr Kane sieht es pragmatisch: »All das war es uns wert. Früher oder später hätten wir ohnehin für den Erhalt des Hauses sorgen müssen.« Die Kosten der gesamten Sanierung belaufen sich nach ersten Rechnungen auf rund 350 000 Euro – wegen der aktuellen Kostensteigerungen bei Baumaterialien wird dieser anfangs berechnete Preis wohl nicht zu halten sein.

Selbstverständlich müssen auch einige Auflagen des Denkmalschutzes erfüllt werden. Das »Boppehaus« gilt aus künstlerischen und städtebaulichen Gründen als Kulturdenkmal. Neben der bereits erwähnten Eingangstür muss das Fachwerk als Sichtfachwerk hergerichtet werden. Die Fenster müssen entsprechend des historischen Aussehens eingebaut werden. Mehrere Türen im Gebäudeinneren müssen erhalten bleiben. Gleiches gilt für die historische Treppe und einige Bodenfliesen im Eingangsbereich.

Würden die Kanes auch anderen raten, solch ein Projekt anzugehen? Christopher Kane überlegt kurz: »Bisher würden wir es jedem empfehlen, der es möchte und die Möglichkeit hat, so etwas anzugehen.« Jedoch sollte man viel Zeit mitbringen und auch die viele Arbeit nicht scheuen. (Constantin Hoppe)

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