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Kurzlebig, aber nachhaltig

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Von: Patrick Dehnhardt

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pad_kleenheim3_090722_4c © Patrick Dehnhardt

Kleenheim - bei diesem Namen klingelt es vor allen Dingen bei Handballfans. Der Name der HSG ist jedoch kein Kunstprodukt. Als die Spielgemeinschaft gegründet wurde, trug ihre Heimatkommune diesen Namen. Nur fünf Jahre sollte Kleenheim existieren. Doch es ist noch heute prägend für Langgöns.

Es war am Vorabend der sich ankündigenden Gebietsreform. Die Situation war mit der auf einem Discoabend vergleichbar: Wer sich nicht früh um einen attraktiven Partner bemühte, musste später schauen, was noch übrig blieb oder wurde schließlich verkuppelt. Oberkleen und Niederkleen fanden sich schon immer attraktiv, da lag ein Zusammenschluss nahe.

Ganz so leicht war es allerdings doch nicht. Der Geburt der Kommune Kleenheim am 1. Januar 1972 ging ein kleines Debakel voraus. Die Volksschulen wurden in den Dörfern aufgelöst, man konnte sich auf keinen Standort für eine Mittelpunktschule im Kleebachtal einigen. Was folgte, war ein Flickenteppich: Die Niederkleener und Dornholzhäuser Schüler gingen fortan nach Hüttenberg, die Oberkleener nach Pohl-Göns, die Cleeberger nach Brandoberndorfer und die Espaer nach Hochweisel in die Grundschule. »Alle fünf Dörfer gingen auf verschiedene Schulen außerhalb, weil man sich nicht auf einen Standort hatte einigen können«, erinnert sich Martin Hanika. Eine ähnliche Erfahrung wollte man sich bei der Gebietsreform ersparen.

Diese war absehbar und unabwendbar. Das Oberkleener Rathaus bestand beispielsweise aus dem Bürgermeister, einer Schreibkraft und dem Ortsdiener, der an sechs Stellen im Dorf die Aushänge anbrachte und diese vorher mit der Schelle ankündigte. Um nicht auseinandergerissen zu werden, schlossen sich Ober- und Niederkleen zum 1. Januar 1972 zusammen. Der Name Kleenheim wurde dabei dem Lorscher Codex entnommen: Dort war das Gebiet 774 als »Cleheim« bezeichnet worden.

Dies führte auch dazu, dass man bereits zwei Jahre nach Gründung die 1200-Jahrfeier beging. Hanika kann sich noch gut an den »längsten Festzug, den das Kleebachtal jemals gesehen hat«, erinnern. Dieser zog von Oberkleen nach Niederkleen.

Die Verwaltung der neuen Gemeinde saß in Niederkleen. Dies war recht unstrittig, erinnert sich Hanika, da allen klar war, dass dies nur vorübergehend sein würde. Denn schon bei der Geburt Kleenheims war absehbar, dass man sich mit weiteren Orten zusammenschließen müsse, um eine Gemeinde zu bilden. Die Einwohnerzahl lag unter dem, was das Land als Mindestgröße ausgerufen hatte. Derweil wurde Josef Schmoranz zum ersten und einzigen Bürgermeister Kleenheims gewählt.

Oberkleen und Niederkleen lieferten sich im Handball einst Derbies. Als die Spielgemeinschaft kam, nahm sie als verbindendes Element den Namen der neuen Gemeinde an. Zu Beginn wurde auch gerne mal in der Kabine diskutiert, ob Ober- oder Niederkleen einen größeren Anteil am jeweiligen Sieg hatte. Die HSG ist bis heute erfolgreich, spielte zeitweilig gar in der Bundesliga. »Das war ein schönes Gefühl, wenn man zum Spiel nach Berlin fuhr und dort auf der Anzeigetafel SG Kleenheim aufleuchtete«, schwärmt Hanika. Auch die vor wenigen Jahren aufgelöste Vogel- und Naturschutzgruppe trug den Namen der neuen Kommune.

Eines der wichtigsten Bauwerke aus Kleenheimer Zeit ist der Wasserhochbehälter bei Oberkleen. Nach katastrophalen Dürrejahren, in denen gar die Feuerwehr Wasser ins Dorf pumpen musste, wurde mit ihm die Versorgung langfristig stabilisiert. Er ist noch heute unter dem Namen »Kleenheim I« in Betrieb.

Ein weiteres Projekt war der Bau einer Sporthalle. Nach einer Idee der beiden Dörfer sollte diese im freien Feld mitten zwischen beiden Orten entstehen - was das Regierungspräsidium allerdings ablehnte. Letztlich wurde sie in Oberkleen gebaut und erst nach dem Verschwinden Kleenheims fertiggestellt.

Im Hintergrund liefen längst die Gespräche mit den Nachbardörfern, um alle Orte im Kleebachtal unter dem Dach einer Gemeinde zu vereinen. Hanika schildert, dass sich Kleenheim bald mit Dornholzhausen, Cleeberg und Espa einig war.

Auf der anderen Seite des Hüttenbergs scheiterten allerdings die Pläne, alle Göns-Orte unter ein Dach zu bringen. Zudem wollte Lang-Göns nicht nach Linden. So kam am 1. Januar 1977 der Zusammenschluss mit den Kleebachtalorten.

Der bedeutete gleichzeitig das Aus für eine Fusion mit Hochelheim und Hörnsheim, die sich bereits 1968 zur Gemeinde Hüttenberg zusammengeschlossen hatten. Dass diese Gemeinde sich ursprünglich mit den anderen Kleebachorten verbinden wollte, zeigt schon der Name: Der Hüttenberg liegt auf Niederkleener Gemarkung.

Kleenheim ist zwar seit 45 Jahren Geschichte. Hanika findet, dass es die Kommunalpolitik bis heute prägt: »Es gehört zur DNA dieser Gemeinde, sich um einen Ausgleich und Austausch zu Bemühen, von dem alle profitieren.« Nicht der Vorteil einzelner Orte, sondern der langfristige Zusammenhalt sei das Ziel.

Übrigens: Die Zersplitterung auf viele Grundschulen ist mittlerweile Geschichte. Denn vor rund 20 Jahren wurde eine neue Grundschule in Oberkleen errichtet. Dort können nun alle Schüler des Kleebachtals zur Schule gehen, wobei die Espaer sich bislang noch nach Hochweisel orientieren.

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pad_kleenheim99_090722_4c © Patrick Dehnhardt
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pad_kleenheim7_090722_4c_1 © Patrick Dehnhardt

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