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»Kleiner Hunger« und mehr

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Rund 40 Grenzgänger sind bei der Visitation der Gemarkungsgrenze mit dabei. © Imme Rieger

Langgöns (iri). Nach dem großen Erfolg des ersten historischen Grenzgangs im vergangenen Jahr hatte der Heimat- und Geschichtsverein Niederkleen nun zur zweiten Auflage eingeladen. Diesmal ging es in östliche Gemarkungsrichtung, erneut unter Federführung von Hanni Langen-Röhrich. Sie gab den 40 Interessierten zunächst eine Einführung in die Geschichte der letzten 200 Jahre der Cleener Gemarkung.

Gerd Mathes, Experte für Kleindenkmale und historische Grenzsteine, gestaltete anschaulich und mit viel Fachwissen gespickt sehr lebendig die Grenzwanderung. So kam neben der Historie auch der Spaß nicht zu kurz.

Beginnend am Nernschen Hof in der Burgstraße 30, einer ehemaligen Zollstation, setzte sich die Gruppe in Richtung Schneiderberg zur Kronewirtschen Hofreite, einer früheren Gastwirtschaft, in Bewegung. Diese war seinerzeit eine Schmugglerwirtschaft mit zwei großen Hoftoren, was für die Schmuggler sehr praktisch war: Denn wenn die Polizei hineinkam, suchten die Schmuggler durch das zweite Tor das Weite. Die Wanderung ging dann in östlicher Richtung an der Gemarkungsgrenze weiter Richtung Sportplatz ins Osterfeld, später dann über die Langgönser Straße Richtung Steinbruch und dort am Waldrand zurück.

Mathes ist Vermessungsingenieur und unter anderem Grenzsteinobmann für den südlichen Lahn-Dill-Kreis. Er ist auch Verfasser eines Heftes der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung mit dem Titel »Kleindenkmale schreiben Geschichte«. Er nahm seine Zuhörer mit auf eine kleine Reise in die Vergangenheit: »Unseren Vorfahren war es sehr wichtig, zu wissen, wo sich die Grenzen der Gemarkung befanden.« Zu einer Zeit, als es noch keine Katasterkarten gab, wurden die Lage der Grenzsteine und der Verlauf der Grenzlinie einmal jährlich beim sogenannten Grenzumgang abgegangen und kontrolliert.

Die erste Landesvermessung begann 1818 in Württemberg und mündete in der Erstellung eines Katasterbuchs. Trotz der nach dem Wiener Kongress im Jahre 1815 basierenden Landaufteilung zum Königreich Preußen (KP), hierzu zählten Niederkleen, Oberkleen, Ebersgöns und Dornholzhausen und zum Großherzogtum Hessen (GH) gehörten beispielsweise Lang-Göns, Kirch-Göns und Pohl-Göns, waren Not und Elend aber auf beiden Seiten des Grenzverlaufs gleich groß. In der Bevölkerung überliefert steht »KP« für kleine Portionen und »GH« für großen Hunger. Der jährliche Grenzumgang war früher in der Region allgemein üblich und verschwand dann nach und nach, übrig geblieben sind eher feucht-fröhliche Wirtshaustouren. Ein Imbiss rundete die Tour ab.

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